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Raumplanung | Leistbares Wohnen und Zuwanderung

An der Gemeinschaft bauen – Herausforderung einer Migrationsgesellschaft | Projekt Transfer - Bauen als Integrationsübung

Konflikte und deren mögliche Auflösung standen im Mittelpunkt des ersten Abends der Energie Lounge 2016, an dem zum Thema „Leistbares Wohnen und Zuwanderung“ Eva Grabherr, Andreas Postner, Karl Fenkart und Josef Mathis miteinander diskutiert haben.

Vorarlberg erfahre eine neue Vielfalt in einer dynamischen Entwicklung unserer Migrationsgesellschaft, konstatierte Eva Grabherr, Geschäftsführerin der Projektstelle für Zuwanderung und Integration „okay. zusammen leben“. Und dies gehe nicht ohne Konflikte von sich. Das Eingliedern und Positionieren von Einzelnen in das gesellschaftliche Gefüge und das Streben derselben nach Anerkennung, Zugehörigkeit und sozialen Netzwerken sei ein Reibung erzeugender Prozess. In Verbindung mit der Chancengerechtigkeit als einem zentralen Ethos unserer Gesellschaft würde die derzeitige Entwicklung unserer Solidarität hin zu einer transnationalen zu wesentlichen Diskussionen führen, die in Fragen wie „Wie weit sind wir für syrische Flüchtlinge verantwortlich?“ kumulierten – und bei weitem noch nicht ausdiskutiert seien. Am Ergebnis dieser noch offenen Diskussion würde die Gesellschaft wachsen, ist sich Grabherr sicher.

„Integrationsprozesse lösen in einer Gesellschaft immer Konflikte aus. Aber die Gesellschaft wächst an diesen Konflikten auch.“
Eva Grabherr sieht in der aktuellen Migrationsbewegung keinen Anlass, den Notstand auszurufen.

Wesentlicher Bestandteil der Integration – das gelte für alle gesellschaftlichen Gruppen, unabhängig davon, ob die Gruppen Migrationshintergrund aufweisen – sei die Möglichkeit, gruppenübergreifend Vertrauen entstehen zu lassen. Und um dieses Vertrauen aufzubauen, brauche es Räume, in denen Begegnung zwischen unterschiedlichen sozialen und kulturellen Gruppen stattfinden könne.

Das Schaffen dieser Räume ist ein zentrales Anliegen von Andreas Postner. Der Architekt und Initiator des Projekts „Transfer Wohnraum Vorarlberg“ beschäftigt sich seit 2014 mit der Erkenntnis, dass leistbarer Wohnraum in Vorarlberg zur Mangelware wird. Dabei spart er nicht mit Kritik an der öffentlichen Hand, die es verabsäumt habe, den gemeinnützigen Wohnraum schon vor Jahren entsprechend zu forcieren. Die laut Eva Grabherr bereits seit 2013 zunehmende Migration verstärke den Druck auf günstigen Wohnraum und dadurch auch das Konfliktpotential. Dem zu begegnen und gleichzeitig die Integration zu verorten, hat sich Andreas Postner verschrieben. Konkrete Vorschläge, günstigen Wohnraum für Flüchtlinge im Asylverfahren, Konventionsflüchtlinge und die ortsansässige Bevölkerung zu schaffen, wurden ans Land adressiert.

„Aus Provisorien sind Dauerlösungen geworden. Und die Bevölkerung glaubt, wir hätten das Problem gelöst.“
Andreas Postner ist mit den bisherigen Maßnahmen in der Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge nicht zufrieden.

Kern der Idee war es einerseits, menschenwürdige Wohnverhältnisse für Flüchtlinge zu schaffen. Dabei stelle er sich die Frage, wie die Gesellschaft mit Flüchtlingen umzugehen gedenke: „Wollen wir Menschen, die auf der Flucht sind, verstecken? Oder sie in die Gesellschaft hereinholen?“ Andererseits gäbe es auch zahlreiche Vorarlbergerinnen und Vorarlberger, die auf der Suche nach leistbarem Wohnraum seien. Wesentlich sei es daher, möglichst viel leistbaren Wohnraum für die rund 6.000 Wohnungssuchenden in Vorarlberg zu schaffen. Um die sich konkurrierenden Wohnungsmärkte aus Flüchtlingen, Konventionsflüchtlingen und Ortsansässigen gleichermaßen zu bedienen, war die Idee, gemeinsam mit Flüchtlingen Wohnungen in einem ansprechenden Standard und reduzierten Wohnflächen pro Person zu errichten. Daneben sollte gleichermaßen für Konventionsflüchtlinge und ortsansässige Wohnungssuchende Wohnraum in gleicher Qualität aber mit etwas größer dimensionierten Pro-Kopf-Flächen geschaffen und zu einem Drittel für anerkannte Flüchtlinge und zu zwei Dritteln für Vorarlbergerinnen und Vorarlberger zur Verfügung gestellt werden.

Letzteres wurde vom Land Vorarlberg im Rahmen eines Sonderwohnbauprogramms aufgenommen. 150 Wohnungen sollen 2017 entstehen. Ein guter erster Impuls, findet Postner, auf Dauer aber zu wenig. Zudem sollte das Anliegen nicht im Rahmen eines Sonderprogramms, sondern als regulärer Ansatz zur Schaffung neuen Wohnraums beibehalten werden.

„Für die Gemeinschaft ist es ökonomisch sinnvoller, Gebäude für Flüchtlinge zu errichten, die anschließend beispielsweise als Starterwohnungen zur Verfügung stehen, als diese in Provisorien oder privat unterzubringen.“
Andreas Postner zur Qualität von Flüchtlingsquartieren.

Neben dem Errichten neuer Wohnungen habe das Land Vorarlberg seine Bemühungen zur Aktivierung von Leerstand verstärkt, berichtete Karl Fenkart, Vorstand der Abteilung Hochbau und Gebäudewirtschaft sowie der Abteilung Vermögensverwaltung im Amt der Vorarlberger Landesregierung. Trotz tatkräftiger Unterstützung durch die Caritas sei das Vorhaben schwierig. Neben dem Angebot tatkräftiger Unterstützung in rechtlichen oder baulichen Fragen im Zuge der Vermietung könne das Land auch nur an die Solidarität appellieren.

Selbst die Aussicht, mit Leerstand Geld zu verdienen, würde in vielen Fällen keine ausreichende Motivation für die Eigentümer darstellen. Daher bezeichnete auch Fenkart die Errichtung neuen Wohnraums als essentiell, nicht ohne jedoch darauf hinzuweisen, dass die schon derzeit sehr gute Auftragslage in der Vorarlberger Bauwirtschaft womöglich dazu führe, dass die Bemühungen zur Errichtung kostengünstigen Wohnraums durch hohe Errichtungskosten erschwert würden.

„Pro-Kopf-Wohnflächen reduzieren und den Garagenwahnsinn stoppen!“
Altbürgermeister Josef Mathis auf die Frage, wie kostengünstiger Wohnraum zu bewerkstelligen wäre.

Den Schlüssel zum kostengünstigen Wohnen sieht Josef Mathis, ehemaliger Bürgermeister der Gemeinde Zwischenwasser, in der Mobilisierung von Bauland, wenn gleich die Möglichkeiten der Gemeinden in diesem Bereich begrenzt seien. Neue Formen der Grundvergabe, beispielsweise im Rahmen von zeitlich befristeten Baurechten, müssten etabliert werden. Gemeinden, die eine aktive Bodenpolitik betrieben, oder beispielsweise Pfarreien wären in der Lage, entsprechende Impulse zu setzen. Die Reduktion von Pro-Kopf-Wohnflächen und Ansprüchen würden die Errichtungskosten zusätzlich reduzieren. Unbestritten Preistreiber Nummer eins seien die explodierenden Grundstückskosten. Für Mathis ist daher ein regulatorischer Eingriff in den Grundstücksmarkt nur eine Frage der Zeit und jedenfalls notwendig.

Bilder: © DarkoTodorovic

Die Veranstaltung wurde am Mittwoch, den 5. Oktober 2016 von 17:00 bis 19:00 Uhr im vorarlberg museum durchgeführt.