03von Josef Burtscher Geschäftsführerjosef.burtscher@energieinstitut.atBevor Sie loslesen 1. Februar 2018, 7:09 Uhr, Ö1 Morgen-journal: „Das Energiesystem muss komplett umgestellt werden, wenn die Erderwärmung in Grenzen gehalten werden möchte“, gefolgt von: „Das hören wir seit Jahren, es passiere wenig bis nichts.“ Nun springt zur Lösung wie-der die EU ein, die ihre Mitgliedsstaaten drängen möchte, Gebäude effizienter zu bauen und – man höre und staune – als eine von vielen Maßnahmen sollen auf Parkplätzen Ladestationen für Elektro-autos errichtet, oder zumindest die dazu notwendige Leerverrohrung einge-plant werden. Das soll auch für neue Mehrwohnungshäuser gelten. „Typisch EU“, denke ich, und mir fällt der vorge-schriebene Gurkenkrümmungsradius ein. Und weiter in der geplanten Verord-nung: Die Verpflichtung für die Staaten der Gemein schaft, langfristige Gebäude-renovierungsstrategien vorzulegen. „Auch nichts Neues“ denke ich, „Das wäre der gefühlt fünfte Versuch in den letzten zwanzig Jahren, ein solches Vor-haben in Österreich zu Ende zu bringen.“Waltraud Schmid vom Energy Center Wien, meine Kollegin auf der anderen Seite von Österreich, ist Morgenjournal-Studiogast. Sie formuliert die Problema-tik fast gebetsmühlenartig: „Wir wissen was wir tun müssten.“ (Meine Assozia-tion: „Ja warum tun wir dann nicht?“). Das Gespräch endet mit der Erkenntnis von Christian Williwald: „Wir können die Leute nicht zum Energiesparen zwin-gen, sondern wir müssen sie von den Vorteilen überzeugen.“ „Richtig erkannt, nichts Neues, schwierig umzusetzen, das tägliche Brot unserer Arbeit.“ Ins Büro radelnd, gehe ich meinen nächsten Gedanken nach: „Wie machen das denn die anderen, nämlich die Auto branche, die Getränkeindustrie, die Hundefutter-produzenten, wenn sie uns überzeugen möchten, das neueste Modell zu kaufen oder durch ihre Türe in das Geschäft zu locken?“ Einfach: Sie werben. Mit ganz-seitigen Inseraten, im Fernsehen, im Netz, regelmäßig übers Jahr, gut gestreut, mit vielen Millionen Euro.Und wir von der Effizienz- und Energie-spar-, von der Erneuerbaren- und Ener-gieverhaltensfront? Wir pflegen mit unseren spärlichen Mitteln und Ver-bündeten das Allernotwendigste, um wenigstens bekannt zu sein. Aber mit-halten mit den großen Kommunikations-kampagnen der verhaltensprägenden Konzerne können wir nicht, obwohl es bei der gewünschten Klimastabilisierung um einen der größten Transformations-prozesse geht, welchen die Menschheit zu durchschreiten hat. In gut wirtschaf-tenden Betrieben ist es so, dass die am Markt verkauften Produkte die Neuent-wicklungen und deren Einführung finan-zieren. Ich frage mich: „Warum machen wir das beim Umstieg von fossil auf erneuerbar nicht auch so?“ Wenn wirk-lich der Umstieg in der gewünschten Zeit gelingen soll, dann braucht es zündende und umgesetzte Maßnahmen, wie die ökologische Steuerreform, funk-tionierende CO2-Emissionsmechanismen, Energietarife, in denen alle verursachten Kosten enthalten sind und eben auch großangelegte Motivations- und Werbe-kampagnen in Richtung kohlenstofffreie Energieverwendung, nicht eine EU-Emp-fehlung zu „Parkplatz-Leerverrohrun-gen“. Sie und vieles andere mehr müss-ten selbstverständlich sein und sich aus neuen Rahmenbedingungen selbst ableiten.Im Büro angekommen, schreibe ich eben diese Gedanken nieder, die mich auf der Fahrradfahrt begleitet haben. Und Sie lesen sie, hoffentlich zusammen mit weiteren unserer kollektiven Erkenntnisse auf den nächsten Seiten. Herzlichst Josef Burtscher
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