Wissenschaftlicher Hintergrund
Hintergrund für diesen Onlinerechner stellt das vom Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) finanzierte Forschungsprojekt „Lüftungskonzept für Österreich“ (Rojas et al. 2023) dar. Es hat unter anderem zum Ziel, die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse einem weiteren Kreis der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Um dieses Ziel zu bewerkstelligen und einen leicht zugänglichen, kostenfreien Zugang zu den erforderlichen Berechnungen zur Erstellung eines Lüftungskonzeptes zu gewährleisten, wurde vom Autorenteam der vorliegende Onlinerechner umgesetzt. Das Onlinetool wurden vom BMK über das Projekt „Onlineversion CO2-Lüftungsrechner und Simulationstool für Österreich GZ 2022-0.848.758“ mitfinanziert, wofür das Autorenteam seinen herzlichen Dank ausspricht.
Ausgangspunkt des Forschungsprojektes „Lüftungskonzept für Österreich“
Schimmelfreiheit und eine ausreichende Luftqualität in Innenräumen wie Wohnhäusern, Büros und Unterrichtsräumen sind wesentliche Parameter für die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit. In den bautechnischen Regelungen der Länder (Basis dazu bildet die OIB Richtlinie 3) ist eine „ausreichende Lüftung“ von Innenräumen gesetzlich vorgeschrieben. Welche Art der Lüftung erforderlich ist, wann eine Fensterlüftung ausreicht und ob diese unter praktischen Gesichtspunkten im erforderlichen Maße überhaupt zumutbar ist, wird weder im Text, noch in den Erläuterungen zur OIB-Richtlinie konkretisiert und sorgte bisher in der Praxis für viele Unklarheiten, Diskussionen und Streitfälle.
Ziel des Projektes
Ziel des Projektes „Lüftungskonzept für Österreich“ war die Schaffung eines wissenschaftlich fundierten Nachweisverfahrens, welches zeigt, ob eine natürliche Lüftung bzw. reine Fensterlüftung bei einer Standardnutzung von Räumen/Gebäuden zur Vermeidung von Schimmelbildung ausreichend bzw. in Hinblick auf eine ausreichende hygienische Luftqualität zumutbar ist. Diese Basisfrage eines Lüftungskonzeptes wird durch die Nachweise zur Luftqualität bzw. Schimmelfreiheit nun mit vorliegendem Simulationsmodell geklärt.
- Nachweis 1: Gewährleistung einer ausreichenden Luftqualität entsprechend den Richtwerten des Arbeitskreises Innenraumluft im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK)
- Nachweis 2: Schimmelfreiheit auf Bauteiloberflächen ohne bzw. gegebenenfalls mit zumutbarem Eingriff der Nutzer:innen.
Methode
Für den Nachweis einer ausreichenden Luftqualität mit zumutbarem Nutzer:inneneingriff sind keine normativen Ansätze im deutschsprachigen Raum bekannt. Die gewählte Methode vergleicht die berechneten notwendigen Lüftungsintervalle für eine ausreichende Luftqualität durch eine aktive Fensterlüftung mit festgelegten, für Nutzer:innen zumutbaren Zeiträumen zwischen den Lüftungsperioden (z.B. Schlafzimmer 8 Std, Wohnzimmer 2 Std, Büro 2 Std, Klassenzimmer 50 Minuten, …).
Der Ansatz im Bereich Schimmelfreiheit, die Vorgaben der DIN 1946 auf österreichische Verhältnisse umzuarbeiten, wurde aufgrund der Schwäche des Regelwerks (die DIN 1946 liefert das bauphysikalisch falsche Signal, eher undichter zu bauen) nicht verfolgt und ein neuer Ansatz gewählt, bei dem das Schimmelrisiko in Prozent für den Anwesenheitsfall mit Nutzer:inneneingriff und den Abwesenheitsfall ohne Nutzer:inneneingriff ausgewiesen wird.
Das Berechnungsverfahren basiert bei beiden Online-Rechnern auf dem Monte-Carlo Ansatz. Anstatt einer deterministischen Berechnung werden 1.000 Berechnungen mit zufällig variierenden (bzw. wenn bekannt durch Nutzer:innen fix vorgegebenen) Eingabewerten durchgeführt. Dadurch werden Unsicherheiten der Eingabeparameter (z.B. Personenzahl, Feuchteintrag) in der Bewertung berücksichtigt.
Bei dem Grundmodell für das eingesetzte Rechenverfahren handelt es sich um ein Massenbilanzverfahren über ein vorgegebenes Raumvolumen (einfaches 1-Zonenmodell mit perfekter Durchmischung).
Es wird die Massenbilanz (bzw. in guter Näherung, die Volumenstrombilanz) für die beiden Raumluftkomponenten Kohlendioxid (CO2) und Wasserdampf (H2O) angesetzt. Dabei dient CO2 als Indikator für die Raumluftqualität in Hinblick auf anthropogene Emissionen und H2O als maßgebliche Größe für die Bewertung des Schimmelrisikos. Es wird angenommen, dass die jeweils betrachtete Komponente entweder von außen über natürliche Infiltration bzw. Fensterlüftung oder über im Raum bzw. im Gebäude befindliche Quellen eingebracht wird. Die Abfuhr ist über Exfiltration bzw. Fensterlüftung im Modell abgebildet. Annahme ist, dass es keine Konzentrationsunterschiede zwischen verschiedenen Positionen im Raum (für CO2) bzw. in der Wohnung (für H2O) gibt und dass die Konzentration in der abgeführten Raumluft der „raumrepräsentativen“ mittleren Konzentration entspricht. Für typische Räume bzw. Wohneinheiten, wie sie hier in diesem Tool abgebildet werden, ist diese Annahme in der Regel gerechtfertigt (siehe z.B. Barp et al., 2009 oder Schnieders, 2003).

Für jeden dieser 1.000 Fälle wird der Wert jedes Parameters entsprechend einer hinterlegten Verteilungsfunktion zufällig gewählt. Diese Verteilungsfunktion beschreibt den Wertebereich des Parameters und die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Wert eintritt. Wenn z.B. davon ausgegangen werden kann, dass in einem Klassenzimmer minimal 10 und maximal 30 Schüler sitzen und dass es am wahrscheinlichsten ist, dass sich 20 Schüler darin befinden werden, dann wird der Wert des Parameters „Anzahl der Kinder im Klassenraum“ bei den 1.000 durchgeführten Berechnungen entsprechend der zugehörigen Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (WDF) zufällig gewählt (siehe Abbildung 2 und 3).


Entsprechend diesem Beispiel wird auch für die anderen Eingabeparameter, welche evtl. nicht auf einen Wert reduziert werden können, vorgegangen. Dafür wurden für jeden dieser Parameter eine oder mehrere WDF hinterlegt, es hängt z.B. die Wahl der zu verwendenden WDF von der gewählten Raumkategorie ab. Bei vielen Parametern muss die WDF je nach Gebäudeart (Einfamilienhaus, Mehrfamilienhaus, Bürogebäude, …) oder Gebäudestandard (Altbau, Standard-Neubau, Niedrigenergiehaus, …) gewählt werden.
Nähere Hintergründe zur Berechnungsmethode können dem Endbericht „Lüftungskonzept für Österreich“ bzw. dem Artikel im International Journal of Ventilation entnommen werden.
Ausblick
Der Onlinerechner bzw. das Excel-Tool können im Zuge von Neu- oder Umbauten die Basis eines Lüftungskonzeptes sein. Die beiden Simulationen klären im ersten Schritt die Grundsatzfrage, ob eine aktive Fensterlüftung zumutbar ist, um eine ausreichende hygienische Luftqualität in einem Raum bzw. Schimmelfreiheit in einer Wohnung (einem Wohngebäude) zu gewährleisten. Zeigt sich im weiteren Verlauf, dass eine lüftungstechnische Maßnahme bzw. ein mechanisches Lüftungssystem erforderlich ist, können die Vorgaben der einschlägigen Regelwerke zur Berechnung der personen- oder flächenbezogenen Luftvolumina angewendet werden, diese Berechnungen sind jedoch nicht Teil des gegenständlichen Projektes.
Das Autorenteam
Das Autorenteam wird in alphabetischer Reihenfolge angeführt:
- DI Andreas Greml, Verein komfortlüftung.at
- Assoz. Prof. Dr. Rainer Pfluger, Universität Innsbruck (UIBK)
- Dr. Gabriel Rojas, Universität Innsbruck (UIBK)
- DI Peter Tappler, IBO Innenraumanalytik OG
- Clemens Weißbacher, Universität Innsbruck (UIBK)
- David Wolkerstorfer, screencode
Weiterführende Information bzw. Links
- Rojas, G.; Greml, A.; Pfluger R.; Tappler, P. (2021). „Lüftungskonzept für Österreich“
- Rojas, G.; Greml, A.; Pfluger R.; Tappler, P. (2023). Assessing the “sufficient ventilation” requirement for Austrian buildings: development of a Monte Carlo based spreadsheet calculation to estimate airing intervals and mould risk in window ventilated buildings. International Journal of Ventilation 1-10 (Rojas G, Greml A, Pfluger R, Tappler P (2023))
- Barp, S., Fraefel, R., Huber, H. (2009). Luftbewegungen in frei durchströmten Wohnräumen
- Schnieders, J. (2003). Wirkung von Position und Art der Lüftungsöffnungen auf den Schadstoffabtransport. In W. Feist (Ed.), AKKP 23: Einfluss der Lüftungsstrategie auf die Schadstoffkonzentration und -ausbreitung im Raum (1st ed., S. 85-123). Passivhaus Institut.
- Richtlinie zur Bewertung der Innenraumluft: CO2 als Lüftungsindikator
- Positionspapier zu Lüftungserfordernissen in Bildungseinrichtungen
- tbd github Link zu Python Berechnungscode
- Innenraumseite des BMK
Links mit Hilfestellungen für die konkrete Umsetzung von Lüftungen: