As hebt* - sogar prächtig
Die Rede ist vom ersten nahezu Null-Energiehaus Vorarlbergs. 1993 wurde es in Egg bezogen und bestach durch zahlreiche innovative Komponenten. 2024 waren wir vor Ort und haben uns gemeinsam mit Bauherrn Hannes Natter angesehen, was aus dem Haus geworden ist.
Das Mehrfamilienhaus hatte nicht nur für damalige Verhältnisse bereits einen sehr niedrigen Heizwärmebedarf. Es war eines der ersten Wohnhäuser in Vorarlberg mit Dreifachverglasung, verfügt über Warmwasser-Solarkollektoren mit Wassertank (saisonalem Speicher) im Haus, eine kontrollierte Be- und Entlüftung sowie eine hochwertige thermische Gebäudehülle.
In den 90ern wurde es der Kategorie „Energiesparhaus – Sonderprojekte“ gefördert. Dafür wurden damals zum ersten Mal sowohl die Berechnung des Heizwärmebedarfs sowie jene der einzelnen Bauteile herangezogen. Erstmals wurden so Kriterien der Energieeffizienz in der Wohnbauförderung des Landes Vorarlberg berücksichtigt. Wie sieht es über 30 Jahre später aus? Hat es gehalten (was es versprach)? Alle Erwartungen erfüllt? Darüber sprachen wir mit Bauherrn Hannes Natter.
„Im Solarhaus ist es fast immer warm“
Das derzeit von zwei Parteien bewohnte Mehrfamilienhaus empfängt (auch) seine Gäste sofort mit seinem Charme: Großzügige Fenster ermöglichen einen weitläufigen Blick ins Grüne, hell ist es und einladend warm. „In einem Solarhaus ist es eigentlich fast immer warm“, meint Hannes Natter. „Manche meinen jedoch, im Sommer sei es etwas zu warm und im Winter etwas zu kalt,“ fügt er gleich schmunzelnd hinzu. Wenn es zu kalt wird, wird aber einfach mit Holz dazu geheizt – allzu viel davon wird nicht benötigt: 12 m3 Holz hat er im Frühjahr 2021 für 680 Euro erstanden, Ende 2024 ist der Vorrat dann aufgebraucht. Mit Sonnenwärme ist er bis im Herbst versorgt. Zugeheizt wird im November sowie Dezember. Im Jänner und Februar nur, wenn die Sonne nicht scheint. Und in den Übergangszeiten? Da ist es sowieso immer angenehm warm.
Es hält. Ich fühle mich total wohl im Haus - es hat eine riesige Lebensqualität!
Hannes Natter
Fasziniert davon, etwas Neues zu machen
Für Hannes Natter war immer klar, dass er auf dem 900 m2 großen Baugrund ein Mehrgenerationenhaus errichten würde. Energieeffizienz und sorgsamer Umgang mit Grund und Boden waren ihm stets wichtig. „Fasziniert davon, etwas Neues zu machen,“ hatte der mittlerweile pensionierte Lehrer mit Manfred Stadelmann den passenden Planer und Baukünstler an seiner Seite, um mutige Möglichkeiten auszuloten: „Er war flexibel und hat immer mit sich reden lassen.“ Professionell begleitet durch einen Energieberater (damals „Energieoptimierer“), war der Weg zum Pioniergebäude mit all seinen modernen, energieeffizienten Lösungen geebnet.
Errichtet hat die Familie Natter damals, gemeinsam mit einem Baumeister in der Familie, sehr viel in Eigenregie: Vom Schirm, Isolierung und Mauern, über die kontrollierte Be- und Entlüftung sowie Heizschlangen in Boden und Wänden, bis hin zu der 55 m2 Solaranlagen mit spiegelfreiem Glas auf steilem Dach. Der acht Meter hohe Wassertank wurde in einer recht spektakulären Aktion mithilfe eines Mobilkrans an seinen vorgesehenen Platz gebracht - eine Herausforderung für den Kranführer!
Gemeinsam mit dem Energieberater stellte man in einer Egger Firma erstmals einen Holzrahmen für die Dreifachverglasung her. Dazu überredet mit dem Argument „das kommt in nächster Zeit“, musste man sich dort aber dennoch ein wenig gedulden, bis sich das System durchsetzte.
Wenig Instandhaltung – Speicher würde Wärmepumpe weichen
Wenngleich so mancher Arbeiter mit Kopfschütteln und einem entgeisterten „das tuat nöd reat“ (das wird nicht funktionieren) reagierte. So hat es das schlussendlich doch – und wie! Der ruhige Baukörper mit viel Holz bietet Wohnraum für drei Parteien über drei Stockwerke (erreichbar über ein gemeinsames Stiegenhaus) verteilt, die seit jeher mehrere Bewohner*innen beherbergt.
Wo Nutzung, da selbstverständlich auch Instandhaltung. Diese hielten sich jedoch in Grenzen: Von der Gebäudehülle, über die Verglasungen, der Pumpe für das Brauchwasser bis hin zu den Warmwasser-Solarkollektoren steht alles wie anno 1993. Im Dezember 2022 wurde erstmals der Fühler der Solaranlage ausgetauscht. Drei etwas aufwändigere Wartungsarbeiten fielen beim Speicher an. Unter anderem ist das Ausdehnungsgefäß bereits durchgerostet und musste gewechselt werden – die Sorge besteht, dass der Tank einmal komplett rostet.
Da ist schon sehr viel Wasser im Haus, viele Anschlüsse, vermutlich einiges an grauer Energie. Und ich gehe schon hin und wieder schauen, ob es nirgendwo rinnt innerhalb der Isolierung.
Hannes Natter
Obwohl Hannes Natter diesen pionierhaften Zugang zu einer nachhaltigen Haustechnik mit viel Herzblut umgesetzt hat, war ihm relativ bald klar, dass das keine massentaugliche Lösung war. Zu aufwändig, zu groß, zu materialintensiv schien sie am Ende des Tages. Und so würde, sollte der Wassertank doch eines Tages kaputtgehen, Hannes Natter wohl auf eine Wärmepumpe und Photovoltaik umsteigen. Noch ist es aber nicht soweit. Und die Bewohner*innen fühlen sich pudelwohl im Haus.
*“es hält!“
FACTBOX
- Fertigstellung und Bezug: 1993
- Planung: Manfred Stadelmann
- Höhenlage: 545 m ü. M
- Heizgradtage: 3921 (Erläuterung siehe unten)
- Beheizte Fläche: 301 m2
- Solaranlage Süddach: 55 m2
- Saisonspeicher: 21 m3 Volumen
- Regenwasser für WC und Bad
- Eine der ersten Dreifachverglasungen in Vorarlberg
- Dämmstärke Wände 16 cm (U-Wert 0,21)
- Dämmstärke Decken 18 cm (U-Wert 0,20)
- Errechneter Heizwärmebedarf: 7,36 kWh/(m²a)
Für Technikbegeisterte: Ein Auszug aus dem Bericht für die Wohnbauförderung 1994
Die kompakte Gebäudeformt mit ca. 300 m2 Bruttogeschossfläche wurde mit seiner Längsseite nach Süden ausgerichtet. Aufgrund des Hauskonzepts und des hohen aktiven Solaranteiles für die Beheizung wurde das Objekt in der Sonderkategorie bei der Förderung des „Vorarlberger Energiesparhauses“ prämiert. Die Außenwände im Norden, Osten und Westen bestehen zur Innenseite hin aus Betonsplittsteinen mit Putz, die nach Außen mit 2 x 8 cm Steinwolle, kreuzweise verlegt sind. Der Wetterschutz ist eine hinterlüftete Holzschalung.
Die südorientierten Außenwände sind in Ständerbauweise errichtet. Die Dämmstärke beträgt 19,5 cm. Auf die Wände zu unbeheizten Pufferräumen (Stiegenhaus 9 wurde 5 cm Dämmmaterial aufgebracht. Dachschrägen und Flachdachbauteile sind mit 21 cm gedämmt. In diesem Gebäude wurden zum ersten Mal in Vorarlberg in einem Wohnbau 3-Scheiben-Wärmeschutzglas mit Kryptonfüllung verwendet. Ohne Berücksichtigung der Randverluste beträgt der Wärmedurchgangskoeffizient für ein solches Glas 0,50 W/m2 K.
Der Energiedurchlassgrad des Glases liegt knapp über 50 %. Aufgrund der sehr guten thermischen Gebäudehüllenqualität liegt die Heizlast (inkl. Fugenlüftung) für das Mehrfamilienhaus bei 4,9 kW. Die Beheizung erfolgt über eine Solaranlage (Kollektorfläche 50 m2, 56 Grad geneigt), zentralem Saisonspeicher von 21 m3 Volumen und Niedertemperaturradiator- und Fußbodenheizung. Die Belüftung der Wohnräume erfolgt über Erdvorwärmung und einen Wärmetauscher. Die Abluft aus Küche und WC/Bad wärmt die Frischluft vor. Eine Nachheizung der Zuluft auf Raumtemperatur erfolgt abhängig vom Bedarf. Als Zusatzheizsystem ist ein Holzkessel installiert. Die Warmwasseraufbereitung erfolgt in einem Speicher (300 l) der im großen Saisonspeicher integriert ist.
Das „Vorarlberger Energiesparhaus“ wurde 1989 im Rahmen einer Förderaktion der Vorarlberger Landesregierung in Zusammenarbeit mit dem Energieinstitut Vorarlberg (damals Energiesparverein) zusätzlich zur Wohnbauförderung gefördert. 1990 wurde es in die reguläre Wohnbauförderung integriert. Parallel wurde die Energiesparhaus Sonderkategorie eingeführt, in der energietechnisch und ökologisch herausragende Projekte gefördert wurden. Zwischen 1989 und 2002 wurden nahezu 160 ESH_S Projekte gefördert.
Was sind "Heizgradtage"?
Der Wert "Heizgradtage" (HGT) bezeichnet die Summe von Temperaturdifferenzen übers Jahr gerechnet. Liegt die Durchschnittstemperatur an einem Tag unter 12 °C (das ist laut ÖNORM die sogenannte Heizgrenztemperatur), dann addiert sich die Differenz dieser Durchschnittstemperatur zur Raumtemperatur nach ÖNORM von 20 °C dazu.
Beispiel: Ein Tag, an dem die Durchschnittstemperatur 10 °C beträgt, "liefert" zehn HGT. Ein Tag mit 0 °C Durchschnittstemperatur liefert 20 HGT. Einfach gesagt: Je höher die Anzahl der Heizgradtage eines Jahres ist, desto kälter (und/oder länger) war die Heizperiode.
Was bringt das? Die HGT helfen dabei, den Heizenergiebedarf unterschiedlicher Jahre oder in unterschiedlichen Klimazonen miteinander zu vergleichen. Brauchen Sie in einem Jahr plötzlich 10 % mehr Strom für die Wärmepumpe, kann das ein Hinweis auf eine Fehlfunktion sein. Oder es musste aufgrund eines kälteren Winterhalbjahres mehr geheizt werden. Ob bzw. wieviel kälter der Winter war oder ob er länger gedauert hat, darüber geben eben die Heizgradtage Aufschluss.