Sonnendetektive: der Überhitzung in Schulen auf der Spur
700 Schüler*innen in Vorarlberg sind heuer der Sonne auf der Spur. Sie dokumentieren im Rahmen eines EU-Projekts jeweils morgens und mittags die Temperaturen in ihren Klassenräumen.
Hitzewellen werden auch in gemäßigten Klimazonen immer häufiger, das haben wir die letzten Jahre am eigenen Leib erfahren. Laut der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) war 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Die globale Jahresdurchschnittstemperatur lag 1,45 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau (1850–1900). Zwischen Juni und Dezember wurden monatliche Temperaturrekorde aufgestellt, Juli und August waren die beiden wärmsten Monate seit Beginn der Aufzeichnungen.
Und genauso ging es 2024 weiter: mit dem wärmsten Februar aller Zeiten und einem April mit ersten Hitzetagen und sehr warmen Nächten. Das ergibt eine neue Anforderung an den Gebäudebestand: Er muss nicht nur möglichst wenig zur Erderhitzung selbst beitragen, sondern auch möglichst schnell auf die veränderten Klimabedingungen eingestellt werden.
Hohe Temperaturen in Kindergarten- und Schulgebäuden
Nicht nur ältere Gebäude mit schlechter Isolierung nehmen die Hitze schnell auf und können diese nur sehr langsam wieder abgeben. Auch neue Gebäude mit großen Glasfassaden werden bei Sonneneinstrahlung aufgeheizt, weil der Sonnenschutz nicht 100 % abschatten kann. Insbesondere Gebäude mit vielen gleichzeitigen Nutzer*innen, wie Schulen und Kindergärten, heizen sich schon durch die abgegebene Wärme der Menschen kontinuierlich auf. In der Folge kommt es schnell zu hohen Temperaturen, die angenehmes Lernen und Spielen unmöglich machen.
Kinder identifizieren Überhitzungsfälle
Um Räume zu identifizieren, die in Hitzeperioden nicht gut funktionieren, arbeiten wir im Alpine Space Projekt „Adapt- Now“ mit Lehrer*innen und Kindern zusammen. Die Kinder erhalten an ihr Alter angepasste Materialien, experimentieren mit lichtempfindlichen Perlen und basteln einen Sonnenschutz. Außerdem messen sie mit Temperaturmesskarten an sonnigen Tagen morgens und abends einmal jeden Monat zwischen März und Juni die Temperaturen an ihren Plätzen und dokumentieren sie in einem Arbeitsblatt.
Die Lehrer*innen füllen einen kurzen Fragebogen zu Lage und Orientierung des Raumes sowie Sonnenschutz und Lüftungsmöglichkeit aus und schicken ihn zusammen mit Fotos der Fenster des Raumes von innen an das Energieinstitut Vorarlberg.
Testlauf in KLAR-Region
Im Jahr 2023 erfolgte der Testlauf in der KLAR-Region Walgau mit drei Kindergartengruppen, vier Volksschulklassen und drei Mittelschulklassen. Die Messungen der Kinder und unsere Auswertungen mit Fotos und Angaben zu Lüftungsmöglichkeiten führten im letzten Jahr zu interessanten Ergebnissen. Im Austausch mit Schulpersonal und Gemeindemitarbeiter* innen konnten so behebbare Überhitzungsfälle angesprochen werden.
Wie etwa das Beispiel eines Klassenraumes auf der Westseite eines Schulgebäudes, in dem die Kinder im Mai bereits morgens 30° C maßen, obwohl die Außentemperaturen um 20° C lagen: Der Raum stand ab Mittag leer, der Sonnenschutz wurde nicht geschlossen. Also überhitzte er durch die abends flach stehende Sonne im Westen und hielt die Temperaturen bei geschlossenen Fenstern über Nacht. Weil alle Oberflächen aufgewärmt wurden, konnte der Raum durch kurzes Lüften vor dem Unterricht nicht mehr abgekühlt werden.
Die Situation konnte sehr einfach entschärft werden: Beim Verlassen des Klassenzimmers wurde mittags der Sonnenschutz geschlossen und für ausreichenden Luftwechsel in der Nacht gesorgt.
Sonnendetektive in zahlreichen Gemeinden
In diesem Jahr beteiligt sich neben der KLAR!-Region Walgau auch die plan b- Region an dem Programm Sonnendetektive. Die plan b-Region mit den Gemeinden Bregenz, Hard, Kennelbach, Lauterach, Lustenau, Schwarzach und Wolfurt ist die Pilotregion in unserem Interreg-Projekt AdaptNow mit dem Schwerpunkt Klimawandelanpassung. In beiden Regionen beteiligen sich dieses Frühjahr Schulen mit insgesamt 44 Klassen und um die 700 Schüler*innen. Die Messungen laufen bis Ende Juni und werden im Energieinstitut Vorarlberg in den Sommermonaten ausgewertet. Danach werden wir wieder das Gespräch mit Schulhaltern und Gemeindepersonal suchen, um gute Lösungen für problematische Räume zu finden.
Was gegen Überhitzung hilft
Denn gegen Überhitzung helfen eben vor allem ein funktionierender Sonnenschutz und aufgeklärte Nutzer*innen, die ihn richtig bedienen. Das heißt: Sonnenschutz schließen, sobald die Sonne die Fassade bestrahlt und nicht übersteuern, weil es noch nicht zu warm ist. Weiter helfen massive Bauteile dabei, eine Aufwärmung zu verzögern. Vor allem ist aber eine Auskühlung über die Nacht notwendig, die entweder über eine relativ hoch eingestellte Lüftungsanlage oder über automatisierte Lüftungsflügel erreicht werden kann. Oder natürlich auch über eine Person, die die Fenster öffnet und schließt. Laubbäume vor der Fassade, Rankgewächse an der Fassade oder begrünte Dächer können zusätzliche Kühlfunktionen übernehmen.
Dieser Text stammt aus der 75. Ausgabe unserer Institutszeitschrift max50. Sie können max50 hier kostenlos abonnieren.