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"Du musst größer denken als du glaubst"

Die Bauleute Silvia Keckeis und Johannes Lampert haben im Herzen Vorarlbergs ein 550 Jahre altes Wohnhaus saniert. Das Projekt ist einzigartig, dennoch gibt es einiges abzuschauen für die eigene Sanierung.

Foto: Frederick Sams
Die Bauleute Silvia Keckeis und Johannes Lampert in ihrem Hägi Wendls Wohnzimmer

Mitunter erweist sich ein Projekt zu beschreiben als gar nicht so einfach. Im vorliegenden Fall deshalb, weil ob der Geschichten von Haus, Menschen und Genese der Mund vom Staunen nicht mehr zu geht. Da ist zum einen das Objekt selbst: Im Zentrum von Zwischenwasser liegt es seit mindestens den 1450er-Jahren, hat Dendrochronologe Klaus Pfeifer bestimmt. Organisch und durchaus stattlich angewachsen im Lauf der Zeit, wurde es im Zuge der Sanierung sorgfältig auseinandergenommen und wieder instandgesetzt – unter anderem mit Beteiligung von BASEhabitat, dem Studio für nachhaltige Architektur der Uni Linz. Hier arbeiteten Student*innen gemeinsam mit Handwerksleuten, Kulturschaffenden und freiwilligen Helfer*innen an der Umsetzung eines Kulturraumes für die Region Vorderland.

Und da sind die Menschen, die das für sie zu große Gebäude als Kulturraum der Gemeinschaft für Konzerte, Lesungen, Workshops ... zugänglich machen – und vielleicht auch deshalb viel Unterstützung derselben erfahren haben.

Die Geschichten dazu gibt’s im von den Bauleuten Silvia Keckeis und Johannes Lampert sorgsam aufbereiteten  Blog zum Projekt nachzulesen. 

Und wiewohl das Haus und seine Menschen in vielerlei Hinsicht einzigartig sind, zeigen sich im Gespräch mit den Bauleuten Silvia und Johannes Erkenntnisse, die auf viele und weit weniger außergewöhnliche Sanierungen übertragen lassen. Unter anderem nämlich die folgenden:

Mach’s nicht allein

Die besten Ideen entstehen im gemeinsamen Nachdenken und Diskutieren. Am Projekt Hägi Wendls waren sehr viele Menschen beteiligt. Die strategischen Grundlagen aber legte das Kernteam fest, das aus Bauleuten, Architekt und Bauleiter bestand.

„Die gemeinsame Diskussion und der Austausch mit externen Begleiter*innen helfen, Entscheidungen zu treffen und Lösungen zu finden.“
 Silvia Keckeis und Johannes Lampert

Sie halten den Prozess am Laufen und helfen mitunter auch über jene Punkte hinweg, die bei Sanierungen immer auftauchen können und sie im schlimmsten Fall unbewältigbar werden lassen. Die wesentlichste Grundvoraussetzung für das Projekt war aber das familiäre Übereinkommen darüber, wer das Projekt trägt, wer sich daran beteiligt und wer welche Rolle spielt. Kein Einzelfall, denn immer mehr Sanierungen gründen darin, eines oder mehrere Kinder oder Enkelkinder zurück ins Haus zu holen oder mit Geschwistern das Haus einer Vorgängergeneration gemeinsam zu entwickeln.

Hör‘ auf das Haus

Eine Sanierung ist kein Neubau, und sie passiert nicht auf dem Reißbrett. Deshalb geht mitunter nicht alles, was man sich im Vorfeld vorgestellt hat. Oder es eröffnen sich Wege, die nicht absehbar waren. „Man muss tolerant sein gegenüber dem Haus und dem Material“, sagt Bauleiter Dominik Abbrederis vom Partnerbetrieb DADO-Lehmarbeiten.

„Und du musst viel größer denken, als du glaubst.“
Johannes Lampert

Die Bauleute erwähnen im Gespräch außerdem mehrmals das „Aushalten“, also das Erwarten der Lösung, die sich eh immer irgendwie einstellt.

Mach‘ dich dreckig

Viele Bausteine sind buchstäblich durch die Hände von Silvia und Johannes gegangen. Das braucht seine Zeit, öffnet aber den Raum zum Nachdenken, zeigt Lösungen auf und führt dazu, dass man sehr genau über sein eigenes Projekt Bescheid weiß. „Wir verstehen alles, was hier passiert ist am Bau, obwohl wir nicht vom Bau sind,“ sagen die beiden. Was auch immer später zu reparieren oder zu ergänzen sein wird, die beiden wissen, wie was zu flicken oder wo was anzuschrauben ist. Und natürlich ist und bleibt die Eigenleistung eine sehr budgetrelevante Maßnahme.

Nimm‘s wieder

„Was noch zu gebrauchen ist, wird wiederverwendet. Das war quasi unser Default-Wert“, bringen die Bauleute die Idee von „Re-Use“ auf den Punkt. Ein großes Materiallager am Bauplatz („Beim nächsten Mal würde ich das Lager strategisch besser anlegen und noch sorgfältiger pflegen“, sagt Bauleiter Dominik Abbrederis) schuf die Basis für eine konsequente Umsetzung: Vom Schalbrett bis zum Holzbalken, vom Klinker des erneuerten Kamins bis zum Biberschwanzziegel am Dach – letztere wurden tatsächlich Stück für Stück auf ihre Wiederverwendbarkeit geprüft und nur einzeln ersetzt. Bei über 400 m² Dachfläche eine Mammutaufgabe.

Das Alter der Materialien war dabei nicht der hauptsächliche Anlass, denn nicht alles im und am Haus war historisch bedeutsam. Zentral war vielmehr die Idee der Nachhaltigkeit und somit der Wunsch, nur das zu ersetzen, was nicht mehr funktioniert hätte. Angesichts steigender Materialpreise hat diese emotionale Maßnahme durchaus auch positive Auswirkungen auf den Kostenplan.

Nutze das Naheliegende

Lehmziegel aus dem Aushub als Dämmmaterial, Holz und Lehm als zentrale Baumaterialien mit starker regionaler Verbundenheit, die Oberflächen - wo nötig - wohngesund behandelt: Wo neues Material zum Einsatz kam, taten die Bauleute das mit Bedacht und mit einem Blick auf die Qualität des künftigen Wohnraums. „Zugegeben“, sagen die Bauleute, „man muss schon ein bisschen bereit sein für nachhaltige Materialien, wir als Bauleute genauso wie die Handwerker.“ Aber der Einsatz lohnt sich, schafft gesunde Innenräume und einen schlanken ökologischen Fußabdruck. Außerdem werden ökologische Materialien meist so verbunden, dass sie auch wieder gelöst werden können: Änderungen, Reparaturen oder Rückbauten sind so zu einem späteren Zeitpunkt einfacher zu bewerkstelligen, als beispielsweise bei untrennbar verklebten Materialverbünden.

Nachhaltigkeit spiegelt sich auch in der Haustechnik wieder: Kachelofen-Ganzhausheizung mit Pufferspeicher und 8,4 kWp-PV-Anlage.

Respektiere dein Gebäude

Ob 550 oder 55 Jahre, jedes Gebäude hat eine Geschichte und verbindet mit den Menschen, die darin wohnen und gewohnt haben. Der respektvolle Umgang mit und die überlegte Weiterentwicklung der Substanz, das Wiederverwenden des Intakten und die sorgfältige Wahl neuer Baustoffe sind Aspekte der Nachhaltigkeit, aber auch Grundlagen für die Zukunftsfähigkeit des Gebäudes, das Wohnraum für sich und weitere Generationen schafft.

Partnerbetriebe Traumhaus Althaus

Am Projekt „Hägi Wendls“ waren neben Bauleiter Dominik Abbrederis (DADO-Lehmarbeiten) drei weitere Mitglieder des Sanierungs-Netzwerks „Partnerbetriebe Traumhaus Althaus“ im Einsatz.
Das Fördermitglied Marte Holzbau schuf stabile Tatsachen und erfreute sich daran, seine Expertise in einem anspruchsvollen und historischen Projekt einbringen zu können. „Das hält aus Gewohnheit“, soll Zimmerer Marco Hartmann auf der Baustelle des Öfteren Zuversicht ausgestrahlt haben.

Für behagliche Strahlungswärme sorgt der Speicherofen von Müller Ofenbau mit der keramischen Oberfläche von KARAK. Er beheizt das ganze Haus und macht auch noch warmes Wasser.
"Die „Kachelofen-Ganzhausheizung“ funktioniert auch in Krisenzeiten", so Ofenbauer Harald Müller.

Mit feinem Schreinerhandwerk lieferte die Tischlerei Kassian Türtscher quasi den Guss auf die Sanierungstorte.
„Aus altem Material Neues zu schaffen und Altes mit Neuem zu ergänzen, war an diesem Projekt eine besonders spannende Aufgabe, die wir - finde ich - ganz gut erfüllt haben,“ meint Kassian Türtscher.

Mehr Details über diese erfolgreiche Sanierung und weitere nachahmenswerte Beispiele finden Sie in der Sanierungsgalerie www.sanierungsgalerie.at
Die Vorarlberger Holzbaukunst präsentiert das Projekt "Hägi Wendls" in einem youtube Video.

Bilder: Frederick Sams (sams foto) und Bence Szalai (Rnb pictures)
Video der Vorarlberger Holzbaukunst: Videoworx - Klaus Eichhorner & lorenz phon hertz - Lorenz Häusle

Die beteiligten Firmen Müller Ofenbau, DADO-Lehmarbeiten, Tischlerei Kassian Türtscher und Marte Holzbau sind Mitglieder der Plattform Partnerbetrieb Traumhaus Althaus. Erfahren Sie mehr über die Sanierungs-Spezialist*innen www.partnerbetrieb.net.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projekts GO Altbau und wird gefördert durch das INTERREG Programm Bayern-Österreich 2021-2027 - ein Programm der Europäischen Union. Das Energieinstitut Vorarlberg und die weiteren Projektpartner stellen im Rahmen des Projekts zwei Mal jährlich besondere Sanierungen als "Haus des Monats" vor.