Es ist doch nur ein Haus – aber ein ganz besonderes
Haus des Monats: Dass man das „Hüslebauen“ auch in Vorarlberg nicht unbedingt im Blut haben muss, um einem 50-jährigen Haus zu neuem Glanz zu verhelfen, haben Angelika und Dietmar Übelher aus Schwarzach bewiesen. Mit Unterstützung von Sanierungslotsin und Architektin Andrea Vogel-Sonderegger haben sie ihr Wohnhaus maximal nachhaltig saniert und zusätzlichen sehr lebenswerten Wohnraum geschaffen.
Wir haben die Bauleute und die Architektin Andrea Vogel-Sonderegger (Partnerbetrieb Sonderegger-Thonhauser) vor Ort getroffen und uns über die Besonderheiten, den Weg und die Herausforderungen ihrer Sanierung unterhalten. Nun stehen wir hier auf der fast fertigen Baustelle, die euch nun rund zwei Jahre begleitet hat. Zwei Jahre mit viel Arbeit und der ständigen Notwendigkeit, gute Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.
Wieso habt ihr euch für diesen Weg entschieden?
Dietmar: Das Haus hat mein Großvater, ein Zimmermann aus dem Bregenzerwald, groß geplant. Aber es hat jetzt schon ein paar Jahre auf dem Buckel und auch bei der Aufteilung des Wohnraums gab es Optimierungsbedarf. Uns war wichtig, dass es "zukunftsfit" gemacht wird und wir, unsere Kinder, vielleicht sogar Enkelkinder weiterhin gut darin leben können.
Angelika: Wir haben schon lange mit dem Gedanken gespielt, sind beide aber keine richtigen "Hüslebauer". Dietmar wollte sich auch nicht zu sehr an das Haus binden. Irgendwann sind wir zu einem Vortrag des Energieinstitut Vorarlberg mit dem Titel „Gut in die Sanierung starten“ gegangen. Und der Vortragende hat empfohlen, eine Sanierungsberatung in Anspruch zu nehmen, wenn man sich schon lange Gedanken macht. Das haben wir dann getan.
Andrea Vogel-Sonderegger: Ja, so sind wir zusammengekommen. Ich habe mich gleich im Anschluss an den Vortrag bei den beiden gemeldet.
Dietmar: Glücklicherweise! So ist dann nämlich alles ins Rollen gekommen und wir haben losgelegt.
Ihr habt euch für eine maximal nachhaltige Sanierung entschieden, bei der ihr nicht nur die Aspekte der Energieeinsparung, sondern auch der Ökologie berücksichtigt habt. Was bedeutet das?
Andrea Vogel-Sonderegger: Das Haus sollte in jedem Fall so saniert werden, dass es in den verschiedenen Phasen des Lebens flexibel nutzbar ist. Für die nächste Generation soll es möglichst einfach sanierbar oder ohne Sondermüll entsorgbar sein. Ein Wunsch, der so noch nie an mich herangetragen wurde, den ich aber unglaublich vorausschauend und nachhaltig finde.
Dietmar: Wir haben daher sämtliche Baumaterialien nach den Kriterien ökologischer Qualität ausgewählt. Allen voran bei der thermischen Sanierung. Wie du siehst, haben wir alle Wände mit Lehm verputzt, die Dämmung ist großteils aus Hanf und am Dach gibt es statt Mineralwolle Holzfaserdämmung.
Die von dir Angelika künstlerisch verzierten Lehmwände in warmen Erdtönen schaffen ein besonderes harmonisches Ambiente, in dem man sich gleich wohl fühlt. Und das Tolle daran: Für die Herstellung sind so gut wie keine CO2-Emissionen angefallen.
Angelika: Vollkommen richtig. Wir haben den Lehm direkt im Garten aus dem Aushub für den Terrassenanbau und die Erneuerung der Abwasserleitungen gewonnen. Mit Unterstützung und Anleitung von Kai Längle (Sanierungslotse und Partnerbetrieb des Energieinstitut Vorarlberg, natürlich bauen ) haben wir diesen dann zu Putz verarbeitet. Er hat die Qualität geprüft und uns die Rezepturen für die Mischungen gegeben. Und er hat uns das Verputzen gelehrt.
Dietmar: Die Arbeit mit dem Lehm war wirklich sehr speziell, oder besser gesagt, es war eine ziemliche Dreckerei. Wir sind ziemlich naiv an die Sache herangegangen, wir wussten ja nicht, was uns erwartet. Besonders Ecken und Kanten und die Fensterrahmen sind eine immense Herausforderung für Laien. Aber es war auch eine perfekte Erholung für die viele Kopfarbeit, die ich in meinem Job leisten muss. Und das Raumklima und Ambiente entschädigen jetzt für die vielen Mühen. Auch die Kalkglätten in der Küche und in den Bädern haben wir selbst angebracht. Diese sind abwischbar und schön hell.
Angelika: Es ist schon sehr beeindruckend, was die Natur so hervorbringt und was man alles mit Lehm machen kann.
Wow, eine großartige Leistung. In die Lehmwände integriert habt ihr auch ein neues Wandheizsystem, das mit der Erneuerung der gesamten Haustechnik eingebaut wurde. Warum keine Bodenheizung?
Andrea Vogel-Sonderegger: Wir haben im Unter- und Erdgeschoss Wandheizungen gewählt, um möglichst viel Raumhöhe zu erhalten und damit es keine sogenannten „Krampfadern“ gibt.
Dietmar: Und weil sie in Kombination mit den Lehmwänden noch einmal zu einer Verbesserung des Raumklimas beiträgt.
Die Außenhülle habt ihr mit einem 22 cm starken Hanf-Wärmedämmverbundsystem aufgerüstet. Wie seid ihr auf Hanf gekommen und welche Vorteile bietet er?
Dietmar: In erster Linie, dass wir unser Haus nicht mit einer Plastikhülle (Styropor) verschweißen wollten, sondern einen diffusionsoffenen Dämmstoff aus natürlichem Material haben wollten.
Andrea Vogel-Sonderegger: Ich habe gleich zu Beginn die Hanfdämmung vorgeschlagen. Hanf hat den Vorteil, dass er eine höhere Speicherkapazität hat und somit besser vor Wärme schützt. Durch die veränderten Technologien sind heute auch hochwärmegedämmte Häuser mit Hanfisolierung möglich.
Dietmar: Der Aspekt der besseren Kühlung war für mich entscheidend. Bei uns im Dachgeschoss wird es schnell sehr warm. Und ich bin mir sicher, für die Zukunft ist eine gute Kühlung noch relevanter als die Energiereduktion.
Angelika: Ein besonders netter Nebeneffekt war, dass es während der Bauphase immer schön nach Heu geduftet hat (lacht).
Andrea Vogel-Sonderegger: Die Dämmung darf nicht nass werden. Aufgrund des schlechten Wetters im Frühling mussten wir sie einhüllen. Das sah dann aus wie ein Werk von Christo. Und darunter hat es fantastisch geduftet. Und ich möchte noch einen weiteren Vorteil von Hanf erwähnen. Im Gegensatz zu anderen Dämmstoffen ist der Verschnitt absolut ungefährlich für die Umwelt. Er verrottet einfach.
Warum habt ihr euch für den Ausbau des Kellers und nicht für einen Dachausbau entschieden?
Dietmar: Eigentlich wollten wir zu Beginn die Wohnraumerweiterung im Dachboden über der großen, an das Haus angeschlossenen Garage realisieren. Im Planungsprozess hat sich dann aber herausgestellt, dass es besser ist, im Keller eine Garconniere auszubauen und die verbleibende Fläche mit der Wohnfläche im mittleren Geschoss zu verbinden. Die kleine Wohnung im Untergeschoß hat einen separaten Zugang. So könnten wir sie bei Bedarf auch extern vermieten. Den Ausbau des Obergeschosses überlasse ich dann meinen Söhnen.
Andrea Vogel-Sonderegger: Sie könnten im Dachgeschoss die Zwischendecke entfernen und den Innenraum bis zum Dachstuhl erhöhen. Dafür haben wir diesen von außen komplett gedämmt und mit einer 24 cm Holzfaserdämmung energetischen aufgewertet.
Und wie sieht es mit der Heizung und der Stromgewinnung aus?
Andrea Vogel-Sonderegger: Die Ölheizung haben wir gegen ein Luft-Wärmepumpe ersetzt.
Dietmar: Und für eine PV-Anlage gibt’s am Dach alle Vorkehrungen. So können wir in Zukunft bei Bedarf schnell nachrüsten.
Angelika: Ja, zeitgleich mit einer Sauna. (lacht).
Kommen wir noch einmal zurück auf den Weg, den ihr gegangen seid. Was war für euch die größte Herausforderung in dieser Zeit?
Angelika: Am herausforderndsten war es, die richtige Balance zu halten zwischen Familie, regulärer Arbeit und den Sanierungsarbeiten. Mir war besonders wichtig, dass die Kinder die Zeit in guter Erinnerung behalten. Auch wenn wir viel arbeiten mussten und weniger Zeit für sie hatten.
Dietmar: Ich habe immer wieder gesagt „Es ist nur ein Haus“. Wir müssen nicht jeden Sonntag mit Arbeit verbringen.
Andrea Vogel-Sonderegger: Für mich war es der Moment, an dem ich euch die erste Kostenschätzung präsentieren musste. Mir war klar, dass es nicht einfach wird. Gemeinsam haben wir dann aber wirklich gute Lösungen gefunden.
Apropos Handwerker: Wie waren eure Erfahrungen bei der Zusammenarbeit?
Dietmar: Eigentlich gut, die meisten Handwerker sind sehr bemüht Unklarheiten kommen bei Sanierungen erst beim Umsetzen zutage und benötigten dann unerwartete und kreative Anpassungen. Der Übergang von einem Gewerk zum nächsten ist bei einer Sanierung immer wieder fließend/unscharf. Da ist man dann gefordert. Was manchmal schwierig war, war gerade bei größeren Firmen, dass nicht immer dieselbe Truppe kam. Da ist dann kommunikativ etwas mühsamer.
Angelika: Und dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit Andrea konnten wir wirklich jedes Problem gut lösen.
Abschließend noch die Frage: Würdet ihr eine Sanierung jedem empfehlen?
Dietmar: Ich würde niemals sagen, dass unser Weg für alle der richtige ist. Die Entscheidung, wie Wohnraum aussehen soll und gestaltet wird, ist eine höchst individuelle. Was ich aber jedem mitgeben kann, ist der Rat immer auf’ s Bauchgefühl zu hören. Ganz egal ob beim Gesamtprojekt, bei der Auswahl der Handwerker*innen oder bei der Entscheidung, wie viel Geld man investieren möchte.
Angelika: Für uns war es schlussendlich genau die richtige Entscheidung und wir sind sehr froh, dass wir den Schritt gewagt haben.
An dieser besonderen Sanierung waren folgende Sanierungsspezialisten der Partnerbetriebe Traumhaus Althaus beteiligt:
- Sonderegger Thonhauser
- Kai Längle, natürlich bauen
- Dachi Stefan Hämmerle
- Alfred Feuerstein GmbH
- Stefan Küng
- SynthesaGruppe
Weitere Infos zum Sanierungsprojekt finden Sie auch hier in der Sanierungsgalerie oder bei unserem Exkursions-Rückblick.
Wussten Sie schon?
Die regelmäßig stattfindenden, kostenlosen Online Vorträge des Energieinstitut Vorarlberg „Gut in die Sanierung starten"
bieten einen fundierten Einblick in die Thematik.
Text: Mag.a (FH) Julia Karoline Weger, wegweiser - Büro für nachhaltige Ideen
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projekts GO Altbau und wird gefördert durch das INTERREG Programm Bayern-Österreich 2021-2027 - ein Programm der Europäischen Union. Das Energieinstitut Vorarlberg und die weiteren Projektpartner stellen im Rahmen des Projekts jeweils zwei Mal jährlich besondere Sanierungen als "Haus des Monats" vor.