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20 Jahre Kyoto-Protokoll - ein Gastkommentar aus der Wissenschaft

Vor 20 Jahren wurde das Protokoll von Kyoto unterzeichnet, bei dessen Umsetzung sich Österreich nicht mit Ruhm bekleckert hat. Die Vorarlbergerin Sybille Chiari von der Universität für Bodenkultur in Wien hat im folgenden Gastkommentar eine Bilanz gezogen.

Am 11. Dezember 1997 wurde das Kyoto-Protokoll beschlossen. Es legte erstmalig völkerrechtlich verbindliche Ziele für die Reduktion von Treibhausgasen fest, die von 191 Staaten der Erde ratifiziert wurden. Österreich hat sich bei der Umsetzung des Protokolls nicht mit Ruhm bekleckert. Die Vorarlbergerin Sybille Chiari von der Universität für Bodenkultur in Wien hat im folgenden Gastkommentar eine Bilanz gezogen.

Dass der Klimawandel ein Problem darstellt, dessen Bewältigung Anstrengungen auf globaler, nationaler und lokaler Ebene erfordert, wissen wir nicht erst seit Kurzem. Vor 20 Jahren, genau am 11. Dezember 1997, wurde nach zähem Ringen von den UNO Mitgliedstaaten in Japan das Kyoto Protokoll verabschiedet. Es war die erste Vereinbarung unter der bereits 1992 - also vor 25 (!) Jahren - verabschiedeten Klimarahmenkonvention, die rechtlich verbindliche Treibhausgas-Reduktionsziele enthält. Insgesamt verpflichteten sich die unterzeichnenden Staaten in Kyoto zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen um 5% bis zum Jahr 2012, bezogen auf das Niveau von 1990. Zusätzlich wurde mit dem ‚Clean Development Mechanism’ auch ein Instrument geschaffen, das maßgeblich dazu beigetragen hat, Investitionen in klimafreundliche Technologien in Entwicklungsländern zu fördern. 2013 ging das Kyoto-Protokoll in eine Verlängerung, die noch bis zum Jahr 2020 andauert.

Wären die internationalen Bemühungen um den Klimaschutz ein wirtschaftliches Unternehmen, so hätte es wohl längst Konkurs angemeldet.

Welche Bilanz dürfen und müssen wir nach diesem ersten Vierteljahrhundert des internationalen Klimaschutzes aus Sicht der Klimawissenschaft ziehen? Allen bisherigen Reduktionsbemühungen zum Trotz liegen die weltweiten Treibhausgasemissionen heute um 60 % höher als im Jahr 1990. Wären die internationalen Bemühungen um den Klimaschutz ein wirtschaftliches Unternehmen, so läge es heute, 25 Jahre nach der Gründung, noch immer in den roten Zahlen und hätte wohl längst Konkurs angemeldet.

Schlechte Performance der "Tochterfirma Austria"

Und wie sieht es mit der Performance der ‘Tochterfirma Austria’ aus, den Erfolgen des österreichischen Klimaschutzes? Österreichs erste Kyoto-Hausaufgabe, eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 13% bis 2012 zu erreichen, wurde zunächst auf die lange Bank geschoben und dann schlichtweg nicht erledigt. Während die Industriestaaten insgesamt und auch die EU ihre Ziele erfüllten, zum Teil sogar übererfüllt haben, hat Österreich sein Ziel weit verfehlt. Die österreichischen Emissionen lagen am Ende der Kyoto Periode sogar über dem Niveau von 1990. Die “fehlenden” Emissionsreduktionen mussten durch den Zukauf von Emissionsrechten in der Höhe von über 400 Millionen Euro ausgeglichen werden. Mit vorausschauendem Weitblick hätte diese Summe ebenso gut in die eigene „Firma“, d.h. in österreichische Klimaschutzprojekte investiert werden können. Auch für die Zielerreichung der bis 2020 laufenden zweiten Kyoto-Verpflichtungsperiode sowie die Erreichung der österreichischen Ziele innerhalb des EU Klima- und Energiepakets 2020 zeichnet sich ein wenig euphorisch stimmendes Ergebnis ab. Österreich muss eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von 16 % bezogen auf das Jahr 2005 erreichen. Laut Europäischer Umweltagentur befindet sich Österreich nicht “on track”, selbst dieses moderat gesetzte Reduktionsziel zu erreichen.

Mit vorausschauendem Weitblick hätte die 400 Millionen Euro an Kompensationszahlungen für die Nichteinhaltung der Kyoto-Selbstverpflichtung ebenso gut in die eigene „Firma“, d.h. in österreichische Klimaschutzprojekte investiert werden können.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Seit Abschuss der UN Klimarahmenkonvention im Jahr 1992 und 20 Jahre nach Kyoto hat Österreich also de-facto keine Tonne Treibhausgasemission reduziert. 2015 betrugen die Treibhausgasemissionen 78,9 Millionen Tonnen CO2, im Jahr 1990 waren es 78,8. Inzwischen schreitet der Klimawandel sowohl global als auch in Österreich hurtig voran und die Auswirkungen werden immer deutlicher spürbar. 2014, 2015 und 2016 waren global betrachtet die wärmsten Jahre seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen.

Keine Zeit mehr für Tricks und Kniffe

Es gibt Anlass zur Besorgnis, dass Österreich hartnäckig an seinem mangelnden Umsetzungswillen festhält. Dabei wäre das Erreichen der moderaten Zielsetzungen des Kyoto-Protokolls - im Vergleich zur Strecke die vor uns liegt: dem anspruchsvollen Weg in Richtung 2°C Ziel und wenn möglich 1,5°C des Pariser Klimaabkommens - ein ‚leichtes Aufwärmtraining’ gewesen wäre. Die EU bekennt sich mit dem Pariser Abkommen dazu, ambitionierte, große Schritte in Richtung Dekarbonisierung der Gesellschaft bis 2050 zu gehen. Die ‚neue’ Hausaufgabe lautet: Reduktion der Treibhausgasemissionen um 80% bis 95% bis 2050. Großer Szenenapplaus.

Kein Jonglieren, keine Tricks, keine Kniffe: Beim Klimaschutz zählen ab sofort nur noch Taten.

Doch wie gehen wir es an? Für Klimaerfolgs-Euphemismen und Schein-Erfolge ist es eindeutig zu spät. Auch der Kniff, sich mit Klimazielen am politisch “sympatischeren” weil rechnerisch günstigeren Basisjahr 2005 zu orientieren, in welchem Österreichs Emissionen auf historischem Höchststand waren, wird nicht aus der Misere helfen. Oder wie es der Klimawissenschaftler Kevin Anderson vor vier Wochen bei der Klimakonferenz in Bonn treffend ausdrückte: „Nature cannot be fooled“. Jetzt sind politischer Umsetzungswille und Kreativität das Gebot der Stunde um sicher zu stellen, dass die globalen Emissionen nach 2020 nicht weiter ansteigen werden.

Künftiger Regierung kommt Schlüsselrolle zu

In den nächsten fünf Jahren der anstehenden Legislaturperiode gilt es, die Weichen für eine dekarbonisierte Zukunft in Österreich zu stellen. Auch wenn punktuell durchaus beachtliche Erfolge erzielt wurden, etwa bei Gebäuden oder in der Abfallwirtschaft, und wir über etliche in der Umwelttechnik vorbildliche Betriebe verfügen, so fehlt eine ambitionierte, langfristige Klima- und Energiestrategie, die zu einer wirtschaftlich und sozial verträglichen Dekarbonisierung führt. Klimaschutz und Klimawandelanpassung weiterhin als politische Stiefkinder zu behandeln birgt nicht zuletzt auch ein wirtschaftliches Risiko: Einerseits ist mit jährlichen Folgekosten in Milliardenhöhe zur Eindämmung der Klimawandelfolgen zu rechnen. Andererseits zeigen Studien, dass zeitgerechte Emissionsminderungsmaßnahmen wirtschaftlich wesentlich verträglicher sind. Wie wir auf den Klimawandel reagieren, wirkt sich auf die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich aus.

Klimaschutz wirkt positiv auf Entwicklungsziele

Die Herkules-Aufgabe Klimaschutz muss als gesellschaftliche Chance erkannt werden, die zahlreichen nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Innovationen Tür und Tor öffnet. Zu erwähnen ist auch, dass diese Aufgabe eng an die Lösung etlicher weiterer “Sustainable Development Goals” der UN geknüpft ist wie Beendigung von Armut, Hunger und Ungleichheit, lebenswerte Städte, leistbare Energie und nachhaltige Erwerbstätigkeit, Infrastruktur, Konsum- und Produktionssysteme.

Klimaschutzmaßnahmen wirken sich positiv auf viele der UN-Entwicklungsziele aus, die eine nachhaltige, lebenswerte und gerechte Zukunft im Fokus haben.

Es ist längst an der Zeit, dass wir uns allein schon aus humanitären Gründen zum Handeln verpflichtet fühlen und unseren Beitrag zum ‘Friedensprojekt Klimaschutz und Klimawandelanpassung’ leisten. Und es ist an der Zeit, dass Österreich mit einer zukunftsweisenden Klimapolitik wieder den Anschluss an die Weltspitze gewinnt. Lösungsansätze gibt es viele. Zahlreiche Länder, Städte und Regionen weltweit machen es vor. Das Zeitalter der Dekarbonisierung ist eingeläutet. Wir müssen nur hinhören.

Der Artikel stammt von Sybille Chiari. Die gebürtige Vorarlbergerin ist Wissenschaftlerin am Zentrum für globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Universität für Bodenkultur, Wien und Mitglied der Arbeitsgruppe Klimakommunikation des Climate Change Centre Austria. In ihrer interdisziplinären wissenschaftlichen Arbeit untersucht sie Wirkmechanismen und potentielle Katalysatoren für die Transformation hin zu einer dekarboniersierten Gesellschaft.

Der Gastkommentar ist am 11. Dezember 2017 in der Tageszeitung "Die Presse" erschienen. Wir bedanken uns für die freundliche Überlassung.