3,7 Mio. Chancen Klimaschutz zu betreiben
Die e5-Exkursion ist eine Bank! Der berühmte Blick über den Tellerrand führte heuer nach Tübingen, eine Klimaschutzmetropole in Süddeutschland. Die Nachlese eines spannenden Programms.
Die alljährliche e5-Fachexkursion führte die 26 TeilnehmerInnen zwei Tage lang in das benachbarte Baden Württemberg. Bei den vielseitigen Exkursionszielen in Tübingen und Bad Schussenried erhielten die VorarlbergInnen Inputs über die unterschiedlichsten Möglichkeiten, Klimaschutz umzusetzen. So lernte man nicht nur jede Menge engagierte Akteure und Projekte in Tübingen und Bad Schussenried kennen – auch untereinander profitierten die TeilnehmerInnen vom gegenseitigen Austausch. Da fand sich mit Sicherheit einiges, das nun in der eigenen Gemeinde umgesetzt werden kann!
Tübingen macht blau: „Mach das, was dir passt“
Bernd Schott, Leiter der Stabsstelle Umwelt- und Klimaschutz, und seine Mitarbeiterin Janin Kriesel gaben uns einen Einblick in die Klimaschutzkampagne „Tübingen macht blau“, die in diesem Jahr neu aufgelegt wurde. Das Klimaschutz Spaß macht, wenn man nur die richtige Aktion für die richtige Zielgruppe findet – davon überzeugte uns Herr Schott gleich zu Beginn unserer Exkursion:
„Es gibt 3,7 Mio. Chancen Klimaschutz zu betreiben, da werde ich doch etwas finden, das mir auch Spaß macht und ankommt“, so Bernd Schott.
Die Klimaschutzkampagne mit dem humorvollenTitel „Tübingen macht blau“ wurde2008 von Oberbürgermeister Boris Palmer ins Leben gerufen undbietet eine Unzahl anBausteinen - da ist für jeden etwas dabei. Auf jeden Fall sollen diese Bausteine dazu beitragen, die CO 2 -Emissionen in Tübingen bis zum Jahr 2022 um weitere 25 Prozent zu senken. "Blau machen" seitherüber 10.000 Ökostrom-Kunden der Stadtwerke Tübingen. "Blau machen" auch immer mehr Menschen, indem sie das Auto teilen oder den Bus benutzen- Blau leuchten auch die Bürgersolaranlagen von den Dächern Tübingens. Mehr Infos
Vor allem aber auch der persönliche Bezug zum Oberbürgermeister scheint ein Erfolgsfaktor der Kampagne zu sein: Bei einer kürzlichen Aktion ergingen Flyer über "Energieeffiziente Haushalte" an alle Haushalte - verknüpft mit der Einladung, ins Rathaus zu kommen und beim Oberbürgermeister höchstpersönlich alte Glühbirnen gegen LED's zu tauschen. An die 400 Tübinger nutzten diese Gelegenheit - eine gelungene Tauschaktion!
Im Gespräch mit Oberbürgermeister Boris Palmer standen aktuelle energiepolitische Fragen im Fokus. Besonderes Interesse galt dem persönlichem Engagement von Boris Palmer. Auf die Frage nach seinem Erfolgskonzept, meinte er, er habe sich den Klimaschutz einfach auf die Fahnen geheftet und zur Chefsache erklärt. Vor allem sollte man auf Moralkeulen verzichten und mit Mut und Spaß ans Thema herangehen.
„Wenn bei Privatpersonen Maßnahmen greifen sollen, dann muss man es schaffen, die Vorteile sichtbar zu machen und an die persönlichen Bedürfnisse anzuknüpfen: Zum Beispiel kann etwas gut für die Umwelt und auch gut für die Geldtasche sein. Der Moralische Appell alleine bringt gar nichts," betont Oberbürgermeister Boris Palmer.
Bürgereinbindung und Bürgerengagement: Planungsprojekte in Tübingen
In der Universitätsstadt Tübingen sollen brachliegende Flächen nicht nur für den Wohnungsbau reaktiviert werden, so Martin Rasch von der Stadtplanung in Tübingen, der uns in das Quartier alte Weberei begleitet hat. Ziel sei es, vielfältige und lebendige Quartiere mit hohem Lebens- und Identifikationswert für ganz unterschiedliche NutzerInnen zu schaffen. Im Zentrum steht dabei das Modell der Baugemeinschaften: Familien, Alleinstehende, Gewerbetreibende oder Investoren schließen sich zusammen, um nach ihren eigenen Vorstellungen ein Stadthaus zu errichten.
"Die Baugruppen erhalten von der Stadt eine Option auf ein Grundstück, das sie nach Ablauf der Reservierung von der Stadt erwerben können. DieVergabe wird nach energetischen, sozialen, familiengerechten, oder auch architektonischen Kriterien entschieden." - Martin Rasch von der Stadtplanung Tübingen.
Französisches Viertel - Werkstadthaus
Zusammen mit Gemeinderat und Quartiersbewohner Armin Scharf besichtigtenwir das Französische Viertel. Wir konntenuns kaum satt sehen: Bunte Wohneinheiten, viele Fahrräder, tolle Innenhöfe und dazwischen spielende Kinder in einem kleinen Bächchen, jede Menge Naturgärten.Es ist ein bunt gemischtes urbanes Viertel mit hoher Integrität und Identität. Die Bauprojekte reichen von der Umnutzung ehemals militärischer Bauten über neue, schmale Stadthäuser bis zu kompletten Blocks über 30 Wohneinheiten. Außerdem sind im Französischen Viertel verschiedene Integrationseinrichtungen für Menschen mit Einschränkungen und studentische Wohnheime untergebracht.Herr Scharf zeigte uns im Anschlussdas Werkstadthaus im Französischen Viertel: Im Jahr 2002 von einer BewohnerInneninitiative gegründet, hat sich dieses zu einem vielseitigen und offenen Stadtteiltreffpunkt entwickelt, der von Menschen aus dem Französischen Viertel und weit darüber hinaus genutzt wird. Da wird genäht, repariert, getauscht, gebaut, diskutiert, gelacht, geschweißt, gespielt, gekocht. Mehr Info
Stadtwerke Tübingen: Energiewende nur von oben funktioniert nicht
Bei den Tübinger Stadtwerken setzt man ganz besonders auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Auch hierbei wird Bürgerbeteiligung groß geschrieben: 2009 wurde die "Bürger-Energie"initiiert. Die Idee dahinter ist einfach erklärt: Der Klimaschutzist vielen Menschen wichtig, aber nur wenige haben eine geeignete Immobilie, auf der sich Fotovoltaikanlagen installieren und effizient betreiben lassen.
So können BürgerInnen über diese Initiative in Projekte investieren und zum Ausbau von erneuerbaren Energieträgern beitragen.
„Energiewende nur von oben funktioniert nicht“. Die Frage muss nicht lauten „wie kann ich Strom besser machen“ sondern „Wie bekomme ich die Leute dazu über Strom nachzudenken, “ erläuterte uns GF der Stadtwerke Tübingen, Wilfried Kannenberg, seine Philosophie.
Bad Schussenried: Citta slow (die entschleunigte Stadt)
Die Stadt Bad Schussenried hat sich beim Klimaschutz ehrgeizige Ziele gesetzt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Stadtentwicklung, Verkehrsberuhigung, Stadtmarketing und die Tatsache mit gutem Beispiel voranzugehen, so Bürgermeister Achim Deinet bei einem Spaziergang mit uns und Walter Göppel (Geschäftsführer der Energieagentur Ravensburg) durch den Ortskern.Ziel von Bürgermeister Deinet ist, die Stadt weiter lebenswert zu gestalten: es brauche Orte der Begegnung, und dazu gehören nicht immer nur bauliche Maßnahmen: Entschleunigung und Wohlfühlqualitäten sind dabei entscheidende Faktoren.
Krönender Abschluss der Exkursion bildete eine Besichtigung der weltweit ersten Passivhaus-3-Feld-Tennisanlage. Diese wird mit Strom aus einer knapp 360 kWp großen Photovoltaikanlage betrieben und mit LED-Flutern beleuchtet! Der vollständig mit Zirbenholz ausgekleidete Innenraum der Tennishalle ist ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Anlage.
Voller neuer Eindrücke und Ideen freuen wir uns schon alle e5-Teammitglieder auch 2017 wieder zu einer spannenden Fachexkursion einladen zu dürfen.