Blackout-Risiko: Kein Grund, schwarz zu sehen
Beim Fachforum Strom & Wärme haben wir mit Johannes Türtscher, seines Zeichens einer der beiden Geschäftsführer der Vorarlberger Energienetze GmbH gesprochen: Darüber, wie es um unsere Stromversorgung in Vorarlberg steht und was in Vorarlberg im – unwahrscheinlichen, aber möglichen – Fall eines Blackouts an Hebeln in Bewegung gesetzt werden müsste.
Beim Fachforum Strom & Wärme im November war Johannes Türtscher zu Gast, seines Zeichens einer der beiden Geschäftsführer der Vorarlberger Energienetze GmbH. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie es um unsere Stromversorgung in Vorarlberg steht und was in Vorarlberg im – unwahrscheinlichen, aber möglichen – Fall eines Blackouts an Hebeln in Bewegung gesetzt werden müsste.
Warum ist das Thema Blackout aktuell trotzdem so ein großes Thema? Es wird derzeit ja regelrecht rauf und runter gespielt.
Das ist vielleicht einem allgemeinen Gefühl geschuldet: die Welt wird immer volatiler, die Krisen kommen gefühlt näher, der Angriffskrieg auf die Ukraine spielt sicher eine große Rolle. Insofern ist es für mich nachvollziehbar, dass das jetzt so präsent ist. Wir sind jedenfalls gut darauf vorbereitet. Und führen hierzu regelmäßig Trainings durch.
Wie können wir uns das vorstellen? Was passiert bei euch, wenn in Vorarlberg der Strom ausgeht?
Bei der illwerke vkv insgesamt – das umschließt sowohl den Netz- als auch den Kraftwerksbereich – gibt es für diesen Fall einen fix vorbereiteten Krisenstab. Der wird unmittelbar einberufen und erstellt innerhalb kürzester Zeit ein Lagebild, um abschätzen zu können, was wirklich los ist. Wenn festgestellt wird, dass auch in den umliegenden Ländern keine Spannung vorhanden ist, mit der man das Netz wiederaufbauen könnte, wird ein Inselnetz in Vorarlberg errichtet. Dazu gibt es einen ganz klaren Plan – das Zusammenspiel zwischen Kraftwerken und Netzen wird regelmäßig trainiert.
Was würde da genau passieren in diesen 12-24 Stunden, bis das Licht dann wieder angeht?
Wenn die Situation klar ist und sowohl mit den umliegenden Übertragungsnetzbetreibern wie auch in Österreich mit der APG abgestimmt ist, dann wird für den Aufbau des Inselnetzes ein definierter Ausgangszustand hergestellt. Und entsprechend dem festgelegten Netzwiederaufbau werden die ersten Kraftwerke gestartet und bei den großen Umspannwerken die Sammelschienen bespannt. Das Zuschalten der Netzlasten muss natürlich in einem sehr abgestimmten Modus passieren, damit das Netz nicht durch eine neue Instabilität wieder zusammenbricht. Außerdem wird in einem solchen Fall auch ein direkter Kommunikationskanal zum Land aufgebaut. Darüber hinaus sind Mitarbeitende sind fix zugeteilt, um die Notstromversorgung in den Umspannwerken aufrecht zu erhalten.
Wenn ein Blackout über einen kurzen Zeitraum andauert, findet die Notstromversorgung der Netzinfrastruktur über eine Batteriepufferung statt. Wenn es aber länger dauern würde, dann muss diese teils mit mobilen, teils mit fixen Notstromaggregaten sichergestellt werden.
Da benötigt es wohl ein paar Leute, um diese Arbeiten auszuführen?
Also allein im Umfeld des Krisenstabs sind es schon einmal 15 bis zu 20 Personen. In den Leitstellen in Bregenz und in Rodund sind weitere 10-15 Expert*innen eingeteilt. Natürlich steht grundsätzlich die gesamte Belegschaft zur Verfügung. Für die Aufrechterhaltung der Notstromversorgung in den Kraftwerken und Umspannwerken sowie für Sondereinsätze sind fixe Teams vorgesehen, wobei hier auch berücksichtigt ist, dass bei einer längeren Dauer ein Schichtbetrieb möglich ist.
Würde – wenn jetzt dieser Inselbetrieb aufrecht wäre – schnell überall wieder Normalität einkehren, oder müsste man in bestimmten Bereichen Prioritäten setzen?
Das Netz als solches ist dann ein Inselnetz, und natürlich bestünde damit immer noch eine mögliche Gefahr von Instabilitäten. Darum würde dieses in einem nächsten Schritt mit anderen Inselnetzen synchronisiert werden.
Wir gehen aber davon aus, dass in dem Moment wo überall wieder Strom ist, noch lange nicht alle anderen Infrastruktureinrichtungen- und Lieferketten wieder funktionieren.
Es ist dann gut möglich, dass eben nicht alles wie gewohnt weitergeht. Dass beispielsweise das Internet noch nicht wieder funktioniert, dass vielleicht gewisse Systeme in den Geschäften oder Banken noch nicht funktionieren.
Wie lange könnte ein solcher Inselbetrieb aufrecht erhalten bleiben?
Das hängt von mehreren Faktoren ab, wie zum Beispiel der Jahreszeit und den Füllständen in den Speicherseen. Wir gehen davon aus, dass dieser bis zu mehreren Wochen möglich ist. Das Ziel muss aber sein, möglichst bald wieder eine Synchronisation mit dem europäischen Verbundnetz und damit eine Gesamtversorgung herzustellen.
Zentrale Voraussetzung, dass ein Inselbetrieb möglich ist, ist eine funktionierende Infrastruktur, der Strom muss im Land verteilt werden können. Wenn so ein Netzausfall im Land einen halben Tag, einen Tag, dauert, dann muss ich mir als Privatperson ja eigentlich kein Dieselaggregat kaufen?
Die Ausfallszeit von 12 bis 24 Stunden ist, wie gesagt, jene Zeit, die die Trainings am Simulator und die Krisenübungen zeigen. Es könnte aber natürlich auch sein, dass die Infrastruktur beschädigt ist und nicht zur Verfügung steht, es könnten durch Cyberattacken Probleme entstehen. Und dann könnten diese Zeiträume auch deutlich größer werden. Daher lässt es sich nicht pauschal sagen, ob sich jemand ein Dieselaggregat anschaffen soll oder nicht – dass muss man auf die eigene Situation abstimmen.
Jetzt haben Sie ein Stichwort geliefert – nämlich Cyberattacken. Ist der Schutz der Infrastruktur des Netzes aber auch der Erzeugungsanlagen, der Kraftwerke seit dem Vorfall von North Stream 2 bei Ihnen nun ein größeres Thema?
Der Schutz der kritischen Infrastruktur ist natürlich schon lange ein Thema, da werden auch große Anstrengungen unternommen Die Anforderungen aus der Informationssicherheit – Stichwort „Informationssicherheitsmanagementsystem“ (ISMS) – werden in unserem Unternehmen laufend geprüft und in den Konzepten und Maßnahmen zum Objektschutz und Schutz gegen etwaige Cyberattacken im Netz berücksichtigt. Wir legen daher schon seit langem größten Wert darauf, hier jederzeit gut vorbereitet zu sein und sind nach ISO 27001, 27019 und NIS-G zertifiziert
Was wird aus Ihrer Sicht - jetzt mal ganz abgesehen vom Katastrophenfall – das Netz in Vorarlberg in Zukunft ganz grundsätzlich stressen?
Stressen wird das Netz hoffentlich nichts, weil wir uns schon seit vielen Jahren darauf vorbereiten. Klar ist, dass der Umbau der Stromversorgung in Richtung der Erneuerbaren ganz neue Herausforderungen für die Stromnetze schafft. Da geht es einerseits um die starke Zunahme der dezentralen Einspeisung, aber auch um neue Verhaltensweisen und Bedürfnisse der Verbraucher*innen. Zum Beispiel in Bezug auf E-Mobilität oder die Zunahme von Wärmepumpeneinsatz im Raumwärmebereich.
Hier haben wir bereits mit der Fachhochschule Vorarlberg ein Projekt durchgeführt, bei welchem wir ebendiese neuen Anforderungen auf unser Netz untersucht haben. Daraus konnten wir wirksame Maßnahmen ableiten.
Mehr darüber erfahren Sie im Max 50/Nr71 im Gastbeitrag von Johannes Türtscher über die "Herausforderung Energienetze".
Smart Meter oder E-Autos mit der Möglichkeit bidirektional zu laden - wie schätzen Sie die Rolle dieser Instrumente in der künftigen Stabilisierung des Netzes ein?
Hier finden zurzeit sehr viele Forschungsprojekte statt – an einigen sind wir selbst beteiligt. Das Thema bidirektionales Laden, also die mögliche Entnahme von Energie aus dem Fahrzeugakku für die Nutzung außerhalb des Fahrzeugs, schafft sicher interessante Möglichkeiten, ist gleichzeitig aber auch ein sehr komplexes Thema. Benutzer*innen von E-Autos sehen als primären Nutzen wohl eher die Mobilität und möchten, dass die Batterie immer möglichst aufgeladen ist. Im Moment lässt sich die Entwicklung hier noch schwer abschätzen. Es sind auch sonst viele interessante Potentiale vorhanden: beim Thema Steuerung von flexiblen Endkundenlasten etwa geht es ja auch in eine ähnliche Richtung.
Ein Dreh- und Angelpunkt zur Regulierung von Leistungsspitzen bzw. Digitalisierung der Energiewende: Wie sieht es mit dem Rollout der Smart Meter aus?
Der Rollout läuft auf Hochtouren. Wir haben etwa 60.000 Smart Meter ausgeliefert, das ist knapp ein Drittel der geplanten Zähler. Es sind in etwa 25 Monteure permanent unterwegs. Sprich: Wir sind voll dran. Bis Ende 2024 werden wir ca. 200 000 Smart Meter ausrollen.
Der beschleunigte Ausstieg aus Gas wird sich wohl auf den Strombedarf auswirken, weil wir das Gas in der Raumwärme ja auch irgendwie substituieren müssen. Schaffen wir es trotzdem die Ziele der Energieautonomie+ zu erreichen und bis 2030 zumindest jahresbilanziell den Strom, den wir selber brauchen auch selber herzustellen?
Das wird wesentlich darauf ankommen, wie stark der PV-Ausbau vorangeht und was an anderen Erzeugungseinheiten, etwa Wasserkraftwerken, kommt. Aber auch das Thema Energieeffizienz spielt hier eine große Rolle. Und es müssen die Verfahren beschleunigt werden - auch in Bezug auf den Netzausbau.
Beim Fachforum Strom & Wärme im November war Johannes Türtscher zu Gast, seines Zeichens einer der beiden Geschäftsführer der Vorarlberger Energienetze GmbH. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie es um unsere Stromversorgung in Vorarlberg steht und was in Vorarlberg im – unwahrscheinlichen, aber möglichen – Fall eines Blackouts an Hebeln in Bewegung gesetzt werden müsste.
Herr Türtscher, wie groß schätzen Sie denn überhaupt die Gefahr eines Blackouts ein?
Ein Blackout ist nicht auszuschließen, aber die Wahrscheinlichkeit dazu schätzen wir als gering ein. Neben etwaigen Blackouts müssen wir aber auch bereit sein, auf eine mögliche Strommangellage reagieren zu können. Wie der Stresstest der APG (Austrian Power Grid) allerdings gezeigt hat, ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Strommangellage kommt, nicht sehr hoch. Es empfiehlt sich dennoch, sich bestmöglich darauf vorzubereiten. Und genau das tun wir bereits gemeinsam mit den Behörden.