e5-VorOrt: Re-Use beim Gebäude und innovatives Heizen und Kühlen mit Eisspeicher
Bei einem Lokalaugenschein zeigt uns Architekt Georg Bechter am Beispiel seines Eisspeichers in seinem energieeffizienten Firmengebäude in Hittisau, wie innovatives Heizen und Kühlen mit Wärmepumpe, aber ohne Tiefenbohrung möglich ist.
Architekt Georg Bechter hat den ehemaligen Kuhstall seines Vaters in Hittisau mittels Generalsanierung in ein modernes Firmengebäude verwandelt. Dabei hat er besonderes Augenmerk auf Re-Use, also das Wiederverwenden von vorhandenen Materialien gelegt. Bei unserem e5-VorOrt-Format erfuhren die Teilnehmer*innen am Beispiel seines Eisspeichers, wie innovatives Heizen und Kühlen mit Wärmepumpe, aber ohne Tiefenbohrung möglich ist und wie ein ehemaliger Stall zu einem recyclebaren Gebäude und zum Arbeitsplatz wurde.
Das Gebäude – Re-use und Regionalität
Ziel war es, ein Gebäude zu bauen, dass komplett recyclebar ist, bei dem nichts unnötigerweise weggeworfen wird und bei dem so viel Material wie möglich aus der unmittelbaren Nähe kommt. Auch auf eine intelligente energetische Planung wurde von Beginn an Wert gelegt. Die wichtigsten Fakten sind hier zusammengefasst:
- Dämmen mit Stroh: 650 Strohballen dämmen die Außenwände des Gebäudes.
- Lehm, Lehm und nochmals Lehm: Rund 60 Tonnen sind im gesamten Gebäude verbaut. Für den Lehmputz im Innenbereich wurde der Aushub direkt weiter verwertet und in der Baugrube zu Lehm aufbereitet. Der 8 cm dicke Stampflehmboden – der ob seiner Feinheit fast schon ein Lehmterrazzo ist - fungiert als thermische Speichermasse und sorgt für ein angenehmes Raumklima. Die Feinheit wurde durch ganz feines Abschleifen und durch die Behandlung mit Wachs und Öl erreicht.
- Ein Wintergarten mit südländischen Pflanzen: Der nach Süden ausgerichtete Wintergarten dient im Sommer als Wärmepuffer. Er sorgt für ein angenehmes Tageslicht, und gleichzeitig kommt die Hitze nicht in die Büroräumlichkeiten. Im Winter speichert er Wärme sorgt für angenehme Temperaturen. Er kann geöffnet und belüftet werden. Und das Highlight: Er dient auch als Gewächshaus für Gemüse und südländische Pflanzen wie Feigen oder Indianerbananen.
- Licht & Luft: Querlüften ist heutzutage vielmals nicht mehr möglich. Hier schon. Durch eine manuelle Belüftung wird im Sommer dafür gesorgt, dass weniger Kühlenergie benötigt wird. Auch an den heißesten Tagen gelingt es durch das nächtliche Lüften, die Raumtemperatur erträglich zu halten. Und das ganz ohne Klimaanlage.
- Wärme und Kälte: Die Beheizung und Kühlung des Gebäudes erfolgt über wassergeführte Leitungen in den Fußböden.
- Heimisches Holz: Das Holz der in sich geschwungenen Fassade stammt natürlich aus den umliegenden Wäldern, der CO2-Fußabdruck ist somit minimal.
Heizen mit Eis
Herzstück des Gebäudes und wohl innovativster Baustein ist aber der Eisspeicher. Dank der vorhandenen Jauchegrube des Bestandsgebäudes war ein Eisspeicher für den Bauherren von Anfang an ein Thema. Es war wieder etwas, das nicht unbedingt der Norm entspricht.
Hier die wichtigsten Fakten über „Heizen mit Eis“ im Überblick:
- Großes Volumen und lange Leitungen: Ein Eisspeicher braucht zunächst ein großes wasserdichtes Volumen. Ist ein solches, wie in diesem Fall, mit der rund 80 m3 großen Jauchengrube, bereits vorhanden, hat man einen kostenmäßigen Startvorteil.
Der Wasserbehälter ist mit 60.000 Litern Regenwasser gefüllt. Weiters sind 1.800 m Leitungsrohre im Behälter verlegt, wobei es unterschiedliche Leitungen für Kühlung und Heizung gibt. - Physikalisches Phänomen: Beim Abkühlen um den Gefrierpunkt, also bei der Vereisung von Wasser von 1 Grad auf 0 Grad, wird ungewöhnlich viel Wärme freigesetzt – um genau zu sein, 80 Mal mehr, als beim Abkühlen von z. B. 6 auf 5 Grad Celsius. Dieses physikalische Phänomen der Latentwärme wird hier ausgenutzt. D. h., man kann dem Wasser rund um seinen Gefrierpunkt ungewöhnlich viel Wärme entziehen, ohne es stark abzukühlen.
- Heizen mit Eis: Eine Wärmepumpe entzieht dem Eisspeicher die Wärme und erzeugt die Vorlauftemperatur der Fußbodenheizung im Stampflehmboden. Der Eisspeicher gefriert langsam von innen nach außen. Am Ende der Heizperiode ist dann ein Teil des Wassers zu Eis gefroren. Mit dem warmen Wasser einer Solaranlage wird das Eis über den Sommer wieder flüssig gemacht. Ab Herbst beginnt der Kreislauf wieder von Neuem und kann unendlich wiederholt werden.
- Sonne & Eis: Die Solarthermie ist in Kombination mit dem Eisspeicher um ein Vielfaches effizienter, als würde sie zur reinen Warmwasseraufbereitung genutzt werden. Warum das so ist, ist ganz einfach zu beantworten: Zur Aufbereitung von Warmwasser sind 40-65 Grad notwendig, zum Tauen des Eisspeichers reichen 20 Grad. Man nutzt den kleinsten Sonnenstrahl.
- Eis auf Vorrat zum Kühlen: Gegen Ende des Winters ist ein Teil des Wassers im Eisspeicher gefroren. Mit dem vorhandenen Eis kann das Gebäude im Sommer passiv (ohne Einsatz der Wärmepumpe) gekühlt werden. Steigen die Temperaturen, wird das Eis langsam aufgetaut und kühlt über Kühlleitungen im Stampflehmboden das Gebäude.
Vorzeige Benchmark
Das der Eisspeicher in Kombination mit Wärmepumpe und Solarthermie tatsächlich überaus effizient ist, zeigt eine aktuelle Monitoringauswertung von Thomas Roßkopf-Nachbaur vom Energieinstitut Vorarlberg.
Im Benchmarkvergleich bei Bürogebäuden liegt das Gebäude weit vorne – es ist um ein Vielfaches besser als andere Benchmarkwerte, welche zwischen 53 und 153 kWh/(m²NGFa) Endenergieverbrauch für Heizung liegen. Insbesondere der Endenergiebedarf für Heizung und Hilfsstrom ist sehr gering: 5,2 kWh/(m²NGFa) im Jahr 2021 und 3,8 kWh/(m²NGFa) im Jahr 2021. Die Wärmepumpe weißt eine besonders hohe Effizienz auf (5,7 im Jahr 2021 und 6,4 im Jahr 2022) und der tatsächliche Heizwärmeverbrauch passt sehr gut mit der PHPP-Berechnung der Planung überein.
Die detaillierte Monitoring Auswertung lesen sie hier.
Beitrag in Kooperation mit der Fachabteilung Unternehmen des Energieinstitut Vorarlberg.
Text: Julia Weger, Wegweiser-Büro für nachhaltige Ideen