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Stadtwerke Bregenz: „Der Fokus kann und wird nicht auf der Biomasse liegen.“

Was es braucht, um die Wärmeversorgung der Landeshauptstadt auf erneuerbare Energien umzustellen und was es mit der Nutzung der Seewasserwärme auf sich hat, darüber haben wir mit dem Klimaschutz- und Energiebeauftragten der Stadt Bregenz Gerold Ender und dem Geschäftsführer der Stadtwerke Wolfgang Winkler gesprochen.

Energieinstitut Vorarlberg
Wolfgang Winkler, Geschäftsführer der Stadtwerke Bregenz und Gerold Ender, Klimaschutz- und Energiebeauftragter der Landeshauptstadt.

Was sind die großen Herausforderungen für die Stadt Bregenz in Bezug auf eine klimafreundliche Wärmeversorgung?

Gerold Ender: Bregenz ist im Bereich der Wärmeversorgung sehr stark fossil geprägt. Rund 87 % der Wärme wird mit Erdgas bzw. zu einem geringen Teil auch mit Öl bereitgestellt. Das bedeutet, dass die Stadtwerke Bregenz mit jeder Umstellung auf regenerative Energien, in Konkurrenz zu ihrer bisherigen Handelsware Erdgas tritt.

Weite Teile der Stadt liegen im Trinkwasserschutz- und Schongebiet der Brunnen im Mehrerauerwald, was eine Nutzung der Erdwärme weitgehend verunmöglicht. Bregenz verfügt auch nicht über einen ausgedehnten Waldbesitz, der einen größeren Einsatz von forstlicher Biomasse rechtfertigen würde. Somit wird die Wahlmöglichkeit regenerativer Energieträger überschaubar.

„Bregenz verfügt nicht über ausgedehnten Waldbesitz, der einen größeren Einsatz forstlicher Biomasse rechtfertigen würde.“
Gerold Ender

Die Nutzung des Bodenseewassers zum Heizen und Kühlen scheint in dem Zusammenhang erfolgsversprechend zu sein. Eine große Herausforderung für uns ist auch, dass der Umstieg auf netzgebundene, erneuerbare Energien sehr kapitalintensiv ist.

Nicht gerade hervorragende Rahmenbedingungen sind für Bregenz aber noch lange kein Grund, untätig zu sein, oder?

Gerold Ender: Nein, wir haben 2017 mit der Erstellung des Energiemasterplans begonnen, uns mit der Wärme- und Stromversorgung in der Stadt auseinanderzusetzen. Dabei wurden mit Energiedichte- und Energieträgerverteilungskarten die Energieverbräuche gebäudescharf modelliert und die jeweiligen Energieträger zu deren Bereitstellung hinterlegt.

„Grundlage für die Wärmeplanung ist die gebäudescharfe Modellierung des Energiebedarfs.“
Gerold Ender

Darauf aufbauend wurde im „Masterplan WÄRME für Rheintal und Walgau“ die wärmenetztauglichen Gebiete in Bregenz berechnet und kartographisch dargestellt und zwar für die heutige Situation und in Szenarien für prognostizierte Wärmebedarfe im Jahr 2050. Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit den Stadtwerken Bregenz, dem Land und dem Energieinstitut im Projekt Klimaneutrales Bregenz 2040 an einer strategischen Wärmeplanung.

Was kann und soll eine kommunale Wärmeplanung leisten?

Gerold Ender: Die Wärmeplanung soll aufbauend auf aktualisierten Wärmedichten und Energieträgerverteilungskarten die Gebiete ausweisen in denen geplant ist künftig Wärmenetze umzusetzen. Im Idealfall mit einer zeitlichen Abfolge in der dies geschehen soll.

 „Zentrale Frage in der kommunalen Wärmeplanung ist, welche Energieträger in welchen Gebieten bevorzugt zum Einsatz kommen sollen.“
Gerold Ender

Weiter soll sie basierend auf den lokal und regional verfügbaren Energieträgern wie Abwärme, Erdwärme, Seewasser oder Biomasse Aussagen darüber machen wo, welcher Energieträger vorrangig eingesetzt werden soll.

Ein wesentliches Element der Wärmeplanung wird es aber auch sein, Überlegungen anzustellen, wie in den Gebieten vorgegangen wird, die auch künftig außerhalb der Netzgebiete liegen werden.

Was bedeutet das für die Stadtwerke?

Wolfgang Winkler: Die Stadtwerke Bregenz GmbH ist im Alleineigentum der Landeshauptstadt Bregenz, sodass das Unternehmen die Zielsetzungen der Stadt im Rahmen seiner Tätigkeitsfelder bzw. seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten natürlich unterstützt. Im Zusammenhang mit der Energie- bzw. Wärmeversorgung sind dies die Sparten Regenerative Wärme und die Gasversorgung.

„Natürlich unterstützen die Stadtwerke die Zielsetzungen der Stadt Bregenz im Wärmebereich.“
Wolfgang Winkler

Im Bereich Gasversorgung bzw. Gasnetzbetrieb sind wir von einer Erweiterungs- und Verdichtungsstrategie zu einer Erhaltungsstrategie übergegangen, wobei das Gasnetz für den Transport von CO2-neutralen Gasen wie Wasserstoff bzw. Biogas oder synthetisches Gas ertüchtigt wird. Einerseits, um das benötigte Gas weiterhin verteilen und auch herstellen zu können und andererseits, um Hybridheizsysteme zu ermöglichen, zur Spitzenlastabdeckung und als redundantes Energiesystem für regenerative Heizsysteme.
Und bei den Erneuerbaren?

Wolfgang Winkler: Im Bereich der Regenerative Wärme- bzw. auch Kälteversorgung werden kleinere und größere Projekte geplant und umgesetzt. So haben wir die erste Ausbaustufe des Biomasseheizwerk Rieden seit 2022 in Betrieb, die zweite Ausbaustufe wird folgen.

Im Bereich der Hochtemperaturwärmenetze sind wir unter anderem gemeinsam mit der illwerke vkw und der Gemeinde Wolfurt mit der Umsetzung der Nahwärme Weidach beschäftigt, die im Endausbau rund 32.000 MWh/a bereitstellen wird. Abnehmer sind in Bregenz derzeit noch fossil versorgte Objekte in den Stadtteilen Im Dorf und Weidach, darunter auch das Landeskrankenhaus.

„16.000.000 kWh Wärme und 8.000.000 kWh Kälte werden wir jährlich aus dem Bodensee in die Stadt liefern.“
Wolfgang Winkler

Neben Hochtemperaturwärmenetzen werden wir die Zielsetzungen der Stadt durch die Nutzung der thermischen Energie des Bodensees unterstützen. Im aktuell in Umsetzung befindlichen Projekt soll die thermische Energie über ein kaltes Anergienetz an Kunden verteilt werden, den Anfang machen das neue Seebad Bregenz und das Festspielhaus. Verteilt werden sollen in Summe an die 16.000 MWh Nutzwärme und rund 8.000 MWh Kälte über Free Cooling.

Das neue Seebad wird sowieso ein Energievorzeigeprojekt, oder?

Wolfgang Winkler: Wir werden es auf alle Fälle nur mit CO2-neutraler Wärme und Kälte, die wir zur Entfeuchtung brauchen, und über Ökostrom unter anderem aus einem Biogas-BHKW und einer PV-Anlage versorgen.

Wie ist das eigentlich mit der Wärme aus dem See? Wer darf wann wie viel Seewasser und damit -wärme nutzen?

Wolfgang Winkler: Grundsätzlich haben sich die Anrainerstaaten auf technische Vorgaben im Rahmen der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee zur Entnahme von Seewasser zum Zweck der thermischen Nutzung geeinigt.

„Die Anrainerstaaten haben sich über Rahmenbedingungen für die Entnahme von Seewasser zur thermischen Nutzung grundsätzlich geeinigt.“
Wolfgang Winkler

Solange die Einhaltung dieser thermischen Vorgaben eingehalten und im nationalen Genehmigungsverfahren nachgewiesen werden, waren unsere Erfahrungen für die Genehmigung unseres Projektes durch die BH Bregenz sehr positiv. Zudem ist bei einer maximalen Entnahme von unter 1.500 Litern pro Sekunde die Kommission lediglich zu informieren, aber die Genehmigung ist alleine durch die nationale Behörde möglich.

Grundsätzlich erscheint der Bodensee als quasi unendlicher Speicher von regenerativer Energie, hier sind wohl eher die Kosten und die Abnehmerstruktur ein limitierender Faktor. Entnehmen darf, wer etwa eine wasserrechtliche Genehmigung hierfür hat.

Stadtwerke Bregenz
Die Rohre zur Entnahme und zur Rückführung von Seewasser weisen eine ganz ordentliche Dimension auf. Mittels einer Horizontalbohrung wurden sie mehrere hundert Meter gut geschützt knapp unter dem Seegrund verlegt. Ein Grund für die hohen Investitionskosten für das Projekt.

Das Seewassernetz dient der Heizung, aber auch der Kühlung, die eine große Rolle spielt. Warum?

Wolfgang Winkler: Die Kältelieferung ist ein entscheidender Faktor für die Möglichkeit, ein Projekt in der aktuellen Größenordnung wirtschaftlich darstellen zu können. Am Ende müssen die Energiekosten für die Kunden mit anderen Energieträgern bzw. Energieverteilungssystemen vergleichbar sein. Die Investitionskosten werden durch Nutzung als Kälteliefersystem nicht erhöht, sodass jede Kilowattstunde verkaufte Kälte auch die Wärmepreise positiv beeinflusst.
Und das ist wichtig, denn Wärmepumpen, die mit Grund- statt mit Seewasser gespeist werden, haben höhere Arbeitszahlen.

Wolfgang Winkler: Exakt. Wärmepumpen, die mit Grundwasser gespeist werden, also mit etwa zehn bis zwölf Grad, werden in der Regel tendenziell höhere Jahresarbeitszahlen aufweisen als jene, welche mit 5 Grad warmen Seewasser gespeist werden. Dies ist bei der Kältelieferung über Freecooling mit einer maximalen Vorlauftemperatur von zehn Grad umgekehrt. Und weil beim Freecooling von Arbeitszahlen im Bereich von 50 auszugehen ist. Das ist eine enorme Stromeinsparung gegenüber einer Arbeitszahl von 2,5 bei einer klassischen Kältemaschine.

„Beim Freecooling ist von einer Arbeitszahl von 50 auszugehen. Gegenüber 2,5 bei einer klassischen Kältemaschine eine enorme Stromeinsparung.“
Wolfgang Winkler

Was waren bisher die spannendsten Erfahrungen bei der Entwicklung der Seewassernutzung?

Wolfgang Winkler: Einerseits die technische Konzeptentwicklung, die Businessplanung und die Erarbeitung der Unterlagen für das Ansuchen um Fördermittel bei der KPC. Und natürlich die spannenden Gespräche mit potentiellen Kunden für die Wärme und Kälte aus dem See. Das sind die großen Vorhaben, es gibt aber auch im Kleinen jede Menge zu tun.

Wolfgang Winkler: Das stimmt. Deshalb beschäftigen wir uns auch mit kleineren Energieverteilungssystemen, die mit Hochtemperatur-Wärmepumpen gespeist werden und auch Abwärme nutzen sollen.

Und Stichwort kleine Systeme: Mit unserem neuen Tochterunternehmen Schlappack Stadtinstallateur bieten wir die Konzeptionierung und Installation von Heizungssystemen auch in privaten Haushalten an.

„Im Moment stellt der Personalmangel kein akutes Problem bei uns dar.“
Wolfgang Winkler

Da ist ja ordentlich Betrieb. Wer stemmt das denn alles? Gibt’s kein Problem mit fehlenden Fachkräften?

Wolfgang Winkler: Im Moment stellt der Personalmangel kein akutes Problem dar, allerdings sehen wir uns mehr und mehr mit dem Personalmangel bei den von uns beauftragten Fachplanungsbüros konfrontiert.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit von Stadtpolitik, Stadtverwaltung, Stadtwerken im Bereich der Wärmplanung?

Wolfgang Winkler: Wie bereits erwähnt, sehen sich die Stadtwerke als Dienstleister für die Stadt Bregenz und somit für die Menschen und Unternehmen in der Stadt, also eine Art Verwaltungseinheit, welche aber auch die Zielsetzungen und Vorgaben einer Kapitalgesellschaft zu erfüllen hat.

„Wir sind Dienstleister für die Stadt und die Menschen. Haben aber auch die Vorgaben einer Kapitalgesellschaft zu erfüllen.“
Wolfgang Winkler

Dies gilt insbesondere auch für die Entwicklung der Sparte regenerative Wärme, wo die Projekte mit sehr hohem Kapitaleinsatz und langfristiger Business-Planung verbunden sind. Hier ist, vor allem was den Kapitalbedarf betrifft, die Zusammenarbeit mit der Stadt intensiv und konstruktiv, sodass das Unternehmen sich möglichst wirtschaftlich gesund weiterentwickeln kann.

Stichwort Wirtschaftlichkeit: Wie ist es um die Wirtschaftlichkeit bei großen Infrastrukturprojekten wie dem Nahwärmenetz Weidach oder dem Seewärmenetz bestellt?

Wolfgang Winkler: Es ist unsere Aufgabe als Kapitalgesellschaft, Projekte umzusetzen, welche zumindest mittelfristig zu Gewinnen führen. Bei diesen Projekten sind natürlich die hohen zu tätigenden Investitionen, und dies bis zu 80 % zur Erstinbetriebnahme, sehr herausfordernd, noch dazu beim aktuellen Zinsniveau.

Als kleines Energieversorgungsunternehmen sind wir hier auf die Unterstützung der Stadt Bregenz angewiesen. Hier gibt es bereits für beide oben erwähnten Projekte Stadtvertretungsbeschlüsse, den Stadtwerken Kapital zur Verfügung zu stellen, und zwar unter Berücksichtigung, dass bei solchen Projekten Geldrückflüsse erst mittelfristig zu erwarten sind.

Vermutlich werden auch Förderungen eine gewisse Rolle spielen.

Wolfgang Winkler: Die Förderprogramme, also im Wesentlichen die Unterstützung über die KPC, sind für die Umsetzung von heißen und kalten Wärmenetzen essenziell. Für die Umsetzung von großen Projekten wäre es aber zwingend notwendig, die Vorgabe der unterfertigten Wärmeliefermengen als Prozentsatz der Endausbau-Energiemengen für den Baustart zu hinterfragen und zumindest zu reduzieren.

„Die Förderprogramme – insbesondere der KPC – sind für die Umsetzung von Wärmenetzen essentiell.“
Wolfgang Winkler

Des Weiteren muss für so kapitalintensive Projekte die Möglichkeit geschaffen werden, vorzeitig Fördermittel anfordern zu können und nicht erst nach Inbetriebnahme der gesamten Versorgungsanlage, denn langfristige Zwischenfinanzierungen sind aufwändig. Insgesamt sollten die Bürokratie und die Fördermittelauszahlungsvorgaben bzw. -zeiträume also verbessert werden.

Wie sehen sie die Entwicklung auf der Nachfrageseite: Ist die Nachfrage nach Netzanschlüssen weiterhin hoch?

Wolfgang Winkler: Die Nachfrage ist weiterhin hoch, jedoch gerade im Bereich der Ein- und kleineren Mehrfamilienhäuser ist sie gegenüber dem enormen Boom 2022 wieder gesunken.

Wo wird der Fokus in den nächsten Jahren liegen?

Wolfgang Winkler: Im Bereich der Sparte Regenerative Wärme wird es die Umsetzung der angestoßenen und weiterer Projekte sein, wobei hier nicht vorrangig auf Biomasse gesetzt werden kann und wird.

„In der Versorgung mit regenerativer Wärme können und werden wir nicht vorrangig auf Biomasse setzen.“
Wolfgang Winkler

Gerold Ender: Der nächste Schwerpunkt in der räumlichen Energieplanung wird für uns die bestmögliche Integration der Ergebnisse der Wärmeplanung in den neu zu erstellende räumlichen Entwicklungsplan sein. Hier betreten wir in Vorarlberg Neuland und wir sind schon gespannt, welche Themenfelder der Energieraumplanung sich wie und in welcher Tiefe räumlich festlegen lassen werden.